Rezension

Bad Blood | John Carreyrou

31. August 2019
Bad Blood

Inhalt

Die 19-jährige Gründerin des Start-Ups Theranos, Elizabeth Holmes, galt als das Wunderkind des Silicon Valley und wurde gar als weiblicher Steve Jobs gehandelt. Ihre Vision war es, mittels eines einzigen Tropfen Blutes ein vollständiges, exaktes Blutbild zu erstellen, um so Therapien und Behandlungen der Patienten mit geringem Aufwand von zu Hause aus zu analysieren. Zum einen war Theranos mit seiner charismatischen jungen Gründerin eine große Hoffnung für Millionen Menschen, zum anderen bot es ein lukratives Geschäft für Anleger zu sein. Investoren mit herausragendem Renommee steckten Unsummen in das aufstrebende Unicorn des Silicon Valley, sodass dieses mit einer Marktkapitalisierung von neun Milliarden Dollar Start-Ups wie Spotify überholte. Allerdings gab es ein einziges Problem: Die stylischen Apparaturen haben nie richtig funktioniert. John Carreyrou ist diesem gigantischen Betrug angestoßen von einem kleinen Tipp und seiner Hartnäckigkeit auf die Spur gekommen und hat den Schwindel um Elizabeth Holmes und Theranos Schritt für Schritt im Wall Street Journal auffliegen lassen.

Erster Satz

Tim Kemp hatte gute Nachrichten für sein Team.

Elizabeth Holmes – Weiblicher Steve Jobs oder doch eher Baron Münchhausen?

15 Jahre sollte es dauern, bis jemand dem größten Betrug des Silicon Valleys auf die Spur kommen und den gigantischen Schwindel aufdecken sollte. 15 Jahre, in denen die 19-jährige Stanford-Abbrecherin und Theranos-Gründerin Elizabeth Holmes mit fesselndem Charisma, hypnotisch blauen Augen und einer ungewöhnlich tiefen Stimme der Welt weismachte, sie hätte ein portables Gerät zur Blutanalyse per Stich in den Finger entwickelt, das durch schnellere, kostengünstigere und zuverlässigere Auswertung die medizinische Diagnostik revolutionieren sollte. Dieser jemand ist der investigative Journalist John Carreyrou, der die Illusion durchschaute und den Theranos-Skandal nach und nach im Wall Street Journal enthüllt und somit den Untergang des Unternehmens und seiner schillernden Gründerin eingeläutet hat. In „Bad Blood“ zeichnet er den rasanten Aufstieg eines Start-Ups in den Weiten des auf Technologie spezialisierten Silicon Valleys, das von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Basierend auf Hunderten von Interviews mit über 150 Personen, worunter mehr als 60 ehemalige Theranos-Mitglieder sind, sowie direkten Zitaten aus Mails und Dokumenten schreibt er von fehleranfälligen Geräten, die nur für eine geringe Anzahl an Tests eingesetzt werden können, von gefälschten Testergebnissen, von der Manipulation konventioneller Geräte von Konkurrenzunternehmen, um eine größere Bandbreite an Tests abdecken zu können und von dem unzumutbaren Arbeitsklima unter dem tyrannenähnlichen Leiter des Alltagsgeschäftes Ramesh „Sunny“ Balwani.

Mit jedem Kapitel wuchs mein Entsetzen weiter, vor allem konnte ich einfach nicht verstehen, wie Elizabeth Holmes mit dieser Farce all die Jahre durchkommen konnte. Wollte niemand genauer hinsehen, weil ihre Vision des innovativen Bluttestverfahrens so revolutionär und lukrativ klang, dass niemand den Wahrheitsgehalt angezweifelt hat? Wieso haben milliardenschwere Unternehmen und Privatpersonen mehrfach Millionenbeträge in das Unternehmen investiert ohne einen stichhaltigen Beweis für die Funktionalität der Geräte zu verlangen und sich stattdessen mit Ausflüchten abspeisen lassen? Wie konnten sich mächtige, erfahrene Personen wie beispielsweise der einstige US-Staatsmann Henry Kissinger, der Ex-Außenminister George Shultz und General James Mattis – ehemaliger Verteidigungsminister unter Donald Trump – von einer jungen ambitionierten Frau um den kleinen Finger wickeln lassen, die nichts vorzuweisen hatte als ein abgebrochenes Studium und ein überhöhtes Selbstbewusstsein? Man möchte meinen, dass echte Fakten wichtiger sind als substanzloses Gerede, doch wie der Fall Elizabeth Holmes schonungslos zeigt, legen wir Menschen es geradezu darauf an getäuscht zu werden. Manchmal ist es leichter an eine Illusion zu glauben als zu akzeptieren, dass sich nicht jede Vision von heute auf morgen realisieren lässt, sei sie noch so bahnbrechend revolutionierend wie es die Lösung des Problems der Mikrofluidität versprach.

Interessant finde ich auch den Versuch den Hype um die Frau, die es in einer männerdominierten Branche zur jüngsten Selfmade-Milliardärin geschafft hat, aus der Distanz zu Entmystifizieren. Ihre beinahe schon an Besessenheit grenzende Faszination für Steve Jobs, die sich beispielsweise in ihrem äußeren Erscheinungsbild in Form des schwarzen Rollkragenpullovers widerspiegelt, wird offenkundig, wie auch Holmes geradezu hypnotisierend überzeugende Wirkung auf den Großteil ihrer Verhandlungspartner. Allerdings fehlte mir dabei die genauere Betrachtung des „Warum?“ hinter diesem Sog, wofür das Einbeziehen einer Rede oder eines Statements von Elizabeth Holmes sicher dienlich gewesen wäre. So bleibt es bei einer Charakterisierung der zentralen Person anhand von E-Mails, Gesprächen und Beobachtungen von außen.

Besonders spannend wurde das Buch in meinen Augen, als John Carreyrou auf Theranos aufmerksam gemacht wurde und mit der Recherche für seine Story begann, denn nun begann das instabile Kartengerüst endlich zu wackeln und dennoch beharrte Elizabeth Holmes faszinierenderweise bis zum bitteren Ende darauf, dass ihre Vision umsetzbar sei und die Theranos-Geräte funktionieren.

Holmes und ihr Unternehmen hatten zu viel versprochen und es dann nicht halten können. Es war eine Sache, den Mund mit irgendeiner Software oder einer Smartphone-App zu voll zu nehmen, aber es war absolut gewissenlos und unverantwortlich, wenn man das mit einem medizinischen Produkt tat, auf das sich die Patienten bei wichtigen Entscheidungen verließen, die sich massiv auf ihre Gesundheit und ihr Wohlergehen auswirken konnte.

Carreyrou, John: Bad Blood (S. 273).

Mit dieser Aussage bringt John Carreyrou den Kern der Sache auf den Punkt: Elizabeth Holmes hat mit ihrem Betrug nicht nur den reichen Investoren Verluste beschert, sondern in erster Linie wissentlich und willentlich zahlreiche Menschenleben aufs Spiel gesetzt, was absolut ungeheurlich ist. Wie es nach dem Bekanntwerden des Skandals weitergeht, steht noch in den Sternen, momentan wartet Elizabeth Holmes auf ihren Prozess, der 2020 beginnen soll.

Fazit

„Bad Blood“ liest sich wie ein spannender Wirtschaftsthriller und erzählt faktenbasiert die wahre Geschichte des bis dato größten Betruges im Silicon Valley als die junge Stanford-Abbrecherin Elizabeth Holmes mit ihrer Vision zur Revolutionierung der Bluttestverfahren, ihrem Charisma samt der hypnotisierend blauen Augen und der tiefen Stimme zur jüngsten Selfmade-Milliardärin wurde. Baron Münchhausen sieht neben der aufstrebenden jungen Frau blass aus, die mit ihrem gigantischen Schwindel wissentlich Menschenleben aufs Spiel setzte.


BAD BLOOD

Autor: John Carreyrou
Originaltitel: Bad Blood. Secrets and Lies in a Silicon Valley Startup
Übersetzung: Karlheinz Dürr
Seitenzahl: 400
Erschienen: 01.04.2019
Verlag: DVA
ISBN: 978-3-421-04823-3
Preis: 24,00 €


Herzlichen Dank an den Rowohlt Verlag für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

Kathiduck

You Might Also Like

No Comments

Leave a Reply