Rezension

Der Tod des Vivek Oji | Akwaeke Emezi

15. Oktober 2021
Der Tod des Vivek Oji

Inhalt

Im Südosten Nigerias findet eine Mutter den Körper ihres toten Sohnes vor der Haustür, eingewickelt in bunten Stoff. Als sie Nachforschungen über die Ursache seines grausamen Todes anstellt, wird ihr bewusst, dass sie ihr Kind nie wirklich gekannt hat. Denn Vivek, der im Nigeria der Neunzigerjahre vor dem Hintergrund politischer Umwälzungen mit einem strengen Vater und einer überfürsorglichen Mutter aufwächst, ist schon früh anders als die anderen Kinder und leidet unter Blackouts sowie Ohnmachtsanfällen. Viveks Cousin Osita ist seine engste Bezugsperson, doch gerade als die Beziehung der beiden an Tiefe gewinnt und Vivek sein wahres Ich entdeckt, eskaliert die Gewalt.

Erster Satz

Am Tag von Viveks Ojis Tod brannten sie den Markt nieder.

Eigene Meinung

Selten hat mich eine Erzählung derart mitgerissen, berührt und aufgrund unserer frustrierend bornierten Gesellschaft stinksauer werden lassen. „Der Tod des Vivek Oji“ wühlt auf, tut schmerzhaft weh und sorgt gleichzeitig für ein brennendes Schamgefühl ob der eigenen wie selbstverständlich gegebenen Privilegien.

„Es regnet“, nuschelte er.
Sie lachte. „Es regnet nicht.“
„Doch, in mir drin“, sagte er und eine Welle der Dunkelheit brach über ihm zusammen.“

Akwaeke Emezi: Das Leben des Vivek Oji (S. 49).

Akwaeke Emezi kontrastiert Szenen kindlicher Geborgenheit und Glückseligkeit mit dem grausamen Fund der Leiche des eigenen Kindes geradezu spielerisch leicht, woraus sich eine eindringliche, poetische Geschichte von Zugehörigkeit und Einsamkeit, der Suche nach der eigenen Identität im Kontext gesellschaftlicher und rassenideologischer Zwänge sowie der Bedeutung von Familie entspinnt, die mich geradezu aufgesogen hat.

Neben der eleganten, klugen wie feinfühligen Art zu erzählen beeindruckt diese Erzählung insbesondere mit ihrer pulsierenden Lebendigkeit, welche durch die Ausdrucksstärke und individuelle charakterliche Tiefe ihrer Protagonisten sowie das fließende Changieren zwischen den unterschiedlichen Erzählperspektiven zustande kommt. Zugleich entwickelt sich hierdurch ein unausweichlicher Sog, der unaufhaltsam auf das gewaltdurchsetzte Inferno zusteuert.

Fazit

„Der Tod des Vivek Oji“ ist ein poetischer Aufschrei für mehr Sichtbarkeit und Akzeptanz unterschiedlicher Geschlechtsidentitäten inmitten unserer verstaubten heteronormativen und rassenideologischer Vorstellung, welches insbesondere durch die Lebendigkeit und Tiefenschärfe seiner Charaktere imponiert – für mich ein heißer Jahreshighlight-Kandidat.


DER TOD DES VIVEK OJI

Autorin: Akwaeke Emezi
Originaltitel: The Death of Vivek Oji
Übersetzung: Anabelle Assaf
Seitenzahl: 271
Erschienen: 30.04.2021
Verlag: Eichborn
ISBN: 978-3-8479-0067-2
Preis: 22,00 €


Herzlichen Dank an den Eichborn Verlag für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

Kathiduck

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2 Comments

  • Reply Livia 17. Oktober 2021 at 20:44

    Liebe Kathi

    Das sieht grandios aus und es klingt einfach noch besser. Das Buch ist wunderschön und überzeugend besprochen und wirklich sehr passend in Szene gesetzt, wie ich finde. Echt hervorragend (bei euch ist es ja so oder so immer schön bebildert, aber trotzdem, muss einfach wieder einmal gesagt sein). Und ich habe mir das Buch natürlich gleich auf die Wunschliste gepackt, du hast mich sehr, sehr neugierig gemacht.

    Alles Liebe
    Livia

    • Reply Lesendes Federvieh 22. Oktober 2021 at 13:39

      Liebe Livia,

      vielen herzlichen Dank für das Kompliment, das freut mich riesig! Das Buch hat mich in seiner inhaltlichen wie poetischen Tiefe absolut begeistert, deshalb war es mir umso wichtiger dafür das perfekte Bild zu finden. Als ich dieses Mural an der Wand gesehen habe, wusste ich direkt, dass es das ist. 😀

      Herzliche Grüße,
      Kathi

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