Rezension

Die jüngste Tochter | Fatima Daas

25. Januar 2022
Die jüngste Tochter

Inhalt

Ihr Name ist Fatima Daas. Hineingeboren in eine französische Familie mit algerischen Wurzeln ist sie die dritte, jüngste Tochter, die nach Wunsch des Vaters ein Junge hätte sein sollen. Als sie sich jedoch wie einer einzieht, die Haare kurz trägt und sich für Frauen zu interessieren beginnt ist der intrafamiliäre Konflikt der zutiefst gläubigen Muslime vorprogrammiert.

Erster Satz

Ich heiße Fatima.

Eigene Meinung

Fatima Daas schreibt den Soundtrack zu ihrem Leben zwischen Frömmigkeit, der freien Auslebung der eigenen Sexualität und Liebe selbst: In kurzen, initial repetitiven Sequenzen, die sich zu einem kraftvollen, empowernden Rhythmus verdichten erzählt sie von Glaube, Zugehörigkeit und der Suche nach der eigenen Identität.

Ich glaube, in meiner Familie wurde nie etwas gesagt. Schweigen war das am wenigsten verschlüsselte Kommunikationsmittel.

Fatima Daas: Die jüngste Tochter (S. 116)

Geradezu mantraartig wiederholt sie ihren Namen verknüpft mit den an sie gerichteten gesellschaftlichen, familiären wie etymologischen Erwartungen und betet diese ähnlich einer Koransure beschwörend herunter. Wie um sich selbst, aber auch den Lesenden in Erinnerung zu rufen, wer sie inmitten all der Widersprüchlichkeiten, Zweifel und Hoffnungen ist: Fatima Daas, das ungewollte dritte Kind, aufgewachsen in Clichy-sous-Bois zwischen algerischer und französischer Kultur, homosexuelle gläubige Muslimin und aufstrebende Autorin.

Nachdrücklich, berührend und absolut ehrlich dröselt sie die Facetten ihrer eigenen Identität Schicht um Schicht auf, um letztlich ein kaleidoskopartiges Gesamtbild zu erschaffen, das gerade wegen ihrer Gegensätzlichkeiten in pulsierenden wie inspirierenden Farben erstrahlt.

Fazit

In ihrem autofiktionalen, kraftvollen wie ausdrucksstarken Debüt (großartig übersetzt von Sina de Malafosse), das seine ganz eigene, vor Lebendigkeit pulsierende Rhythmik entwickelt, erzählt Fatima Daas von Glaube, Zugehörigkeit und der Suche nach der eigenen Identität.


DIE JÜNGSTE TOCHTER

Autorin: Fatima Daas
Originaltitel: La Petite Dernière
Übersetzung: Sina de Malafosse
Seitenzahl: 192
Erschienen: 03.05.2021
Verlag: Claassen
ISBN: 978-3-546-10024-3
Preis: 20,00 €


Herzlichen Dank an den Ullstein Verlag für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

Kathiduck

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2 Comments

  • Reply Livia 27. Januar 2022 at 11:29

    Hey liebe Kathi

    Das Buch ist mir schon einige Male begegnet und es erinnert mich immer sooo fest an Gedanken, die ich mir gemacht habe. Eine Familie, die ich kenne, hat sich einen Sohn gewünscht, natürlich ist dann ein Mädchen zur Welt gekommen und ich habe mir so oft das „was wäre, wenn“ überelgt. Was wäre, wenn dieses Kind sich entscheidet, ein Sohn zu sein? Oder ein Mädchen zu lieben?

    Deshalb hat mich dieses Buch sehr neugierig gemacht und deine Rezension hat mich dazu bewogen, es auf die Wunschliste zu packen. Erst der SuB. In 2022 besonders. Es soll ihm nun nämlich wirklich an den Kragen gehen 😉

    Alles Liebe an dich
    Livia

    • Reply Lesendes Federvieh 6. März 2022 at 23:11

      Liebe Livia,

      hui, was für eine Geschichte! Leider ist das bestimmt keine Seltenheit, es gibt immer wieder Familien, in denen das Erstgeborene ein männlicher „Stammhalter“ sein soll.

      Dieser Aspekt wird in „Die jüngste Tochter“ zwar nicht direkt angesprochen, dafür aber auf jeden Fall das was wäre wenn das Kind ein anderes Geschlecht hätte und das sehr eindrücklich. 😀

      Für dein SuB-Abbau-Vorhaben drücke ich dir ganz fest die Daumen, meiner wächst und wächst… *lach*

      Ganz liebe Grüße,
      Kathi

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