Rezension

Drei | Dror Mishani

25. Dezember 2019
Drei

Inhalt

Drei Frauen sind auf der Suche nach unterschiedlichen Dingen. Eine junge Mutter sucht ein wenig Trost, nachdem sie von ihrem Mann verlassen wurde. Eine zweite Frau sehnt sich nach einem Zuhause und einem göttlichen Zeichen auf dem richtigen Weg zu sein. Die dritte Frau sucht etwas gänzlich anderes. Die drei Frauen kennen sich nicht, sind sich nie persönlich begegnet und doch finden sie alle denselben Mann. Sie wissen Vieles nicht über ihn, denn er nimmt es mit der Wahrheit nicht so genau. Aber auch er weiß nicht alles über sie.

Erster Satz

Sie hatten sich über ein Dating-Portal für Geschiedene kennengelernt.

Eigene Meinung

Dieses Buch hat auf den sozialen Netzwerken einen unglaublichen Hype erfahren noch bevor es erschienen war und war der Sensationsbestseller aus Israel. Deshalb war ich natürlich umso neugieriger, ob jene Euphorie auch auf mich überspringen würde.

Drei Frauen. Ein Mann.

Die Frauen in „Drei“ haben auf den ersten Blick nichts gemeinsam, stammen sie doch aus unterschiedlichen Verhältnissen, üben verschiedene Jobs aus und leben differente Leben. Je länger man sie verfolgt, desto mehr Parallelen werden neben der Bekanntschaft zu ein und demselben Mann faszinierenderweise offenkundig. Obwohl sie in komplett unterschiedlichen Lebenssituationen stecken, die eine alleinerziehend, die andere mittel- und heimatlos, die dritte verheiratet, sind sie doch alle gleich: in ihrer Einsamkeit, der Suche nach Bestätigung, der inneren Leere, die sie wie ein schwarzes Loch von innen zu verschlingen droht.

Drei Frauen. Drei Abschnitte. Drei Erzählstimmen.

Besonders bemerkenswert ist dabei die Erzählweise, die in jedem der drei Abschnitte einer Frau eine Stimme gibt. Jede Frau hat ihren eigenen Erzählton und ihr eigenes Tempo, wodurch man die jeweiligen Schwächen und Ängste in einer ungewohnten Intensität miterlebt. Die Gedanken der Frauen hängen wie düstere Wolken am Himmel und verdunkeln die Szenerie, was auch auf die eigene Stimmung abfärbt.

Die Handlung plätschert scheinbar ohne Ziel dahin, man taucht in alltägliche Szenen aus dem Leben der Frauen ein, begleitet sie, ist ein Teil davon bis die Klappe fällt und man sich im nächsten Leben, bei der nächsten Frau wiederfindet. Diese beinahe schon cineastische Inszenierung ist dabei ein geschickter erzählerischer Kniff, um die gängige Alternative der fortlaufend wechselnden Perspektiven zu umgehen und einen starken Sog zu provozieren.

Bei der scheinbaren Richtungslosigkeit der Erzählung möchte man meinen es könnte langweilig einlullend oder gar zäh werden, doch genau wegen dieser hypnotischen Wirkung ist man rein gar nicht auf die urplötzlichen Wendungen vorbereitet. Es fühlte sich an, als würde der Boden unter den Füßen wegbrechen und man befände sich am Rand einer steil abfallenden Klippe. Von einer Sekunde auf die andere kippt die Stimmung und man hinterfragt das gesamte bisher Gelesene, um die kleinen Anzeichen und vor allem die Stelle zu finden, an der man gedanklich falsch abgebogen ist.

Duftcocktail à la Mishani

Dror Mishani spielt in dieser Geschichte viel mit Stimmungen und lässt diese den ahnungslosen Leser ähnlich eines Parfüms mit jedem Atemzug mehr inhalieren, bis sich die gesamte Wirkung entfaltet. Meint man zunächst vermeintliche Duftnoten von Traurigkeit, Einsamkeit und einem Hauch von Hoffnung zu erkennen, wird die bis dato überdeckte Basisnote erst mit der letzten Szene erschreckend klar. Diese ist auch für die beiden weiteren Erzählteile der grundlegende Bestandteil, jedoch vermengt mit weiteren Komponenten. Dadurch schlägt das anfängliche Entsetzen später in Erkenntnis und schließlich böse Vorahnung mit ohnmachtsähnlicher Hilfslosigkeit ob des Ausgangs der nächsten Geschichte um.

Bei mir hat lediglich der letzte Funke gefehlt, um mein uneingeschränktes Feuer der Begeisterung für dieses Werk zu entzünden. Ab einem gewissen Punkt in der Erzählung habe ich den Ausgang der Geschichte genauso vermutet wie er auch eingetreten ist, wodurch bei mir der finale alles umkrempelnde aha-Moment ausgeblieben ist.

Fazit

„Drei“ ist der Sensationsbestseller aus Israel und ein Roman, bei dem ich den Hype ausnahmsweise mal absolut nachvollziehen kann. Dror Mishani spielt unglaublich geschickt mit Stimmungen, inszeniert ein filmisches Lesevergnügen mit einer genialen Wendung und begeistert besonders durch die drei ausdrucksstarken Erzählstimmen.


DREI

Autor: Dror Mishani
Originaltitel: Shalosh
Übersetzung: Markus Lemke
Seitenzahl: 336
Erschienen: 01.09.2019
Verlag: Diogenes
ISBN: 978-3-257-07084-2
Preis: 24,00 €


Herzlichen Dank an den Diogenes Verlag für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

Kathiduck

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