Rezension

Fang den Hasen | Lana Bastašić

13. April 2021
Fang den Hasen

Inhalt

Sara und Lejla waren während ihrer Kindheit beste Freundinnen. Doch dann veränderten sich die Dinge unwiederbringlich. Menschen mussten ihre Namen ändern, viele verschwanden spurlos. So auch Lejlas älterer Bruder Armin, für den Sara heimlich schwärmte. Die Wege der beiden Freundinnen trennten sich. Sara ging nach Dublin, Lejla blieb in Bosnien. Zwölf Jahre lang herrschte Funkstille, bis ein Anruf Sara zurück nach Bosnien bringt. Zusammen mit der immer noch kratzbürstigen Lejla begibt sie sich auf einen Roadtrip nach Wien, um dort Armin zu treffen. Doch was wie ein fröhliches Wiedersehen nach all den Jahren und eine lockere Reise klingt, ist ein tiefes Eintauchen in die Abgründe jugoslawischer Vergangenheit.

Erster Satz

von vorne Anfangen.

Eigene Meinung

„Fang den Hasen“ ist ein grandioses, atemberaubendes Stück moderner Literatur. Es ist ein rasantes Roadmovie durch Bosnien, das mich voll in seinen Bann gezogen hat. Ich musste immer wieder innehalten, um die Feinheiten nicht zu übersehen, die diese Lektüre so lesenswert und wertvoll machen. Dabei wird der Bosnienkrieg mit den unerträglichen ethnischen Säuberungen nicht konkret geschildert, stattdessen werden mit kleinen, unspektakulär hingeworfenen Details die Gräuel in den Fokus des Lesers gerückt. Krieg kommt wie ein Windhauch daher, man spürt ihn, er wird aber nicht direkt benannt. Lana Bastašić erzeugt damit eine hochemotionale und berührende Atmosphäre, die durch ihren wundervoll poetischen, klaren und fesselnden Stil noch unterstrichen wird.

Es geht aber um so vieles mehr in diesem komplexer Roman, um Heimat und Identität, um Freundschaft und um Generationen, die immer noch von diesem Krieg geprägt sind und darum, wie weit Erinnerungen und persönliche Wahrnehmung letztendlich übereinstimmen. Kennen wir uns nahestehende Personen wirklich bis tief in ihre Seele oder gaukeln uns unsere Erinnerungen eine andere Wahrheit vor?

Erzählt wird die Geschichte einer Jugendfreundschaft aus der Sicht von Sara. Es ist eine ungewöhnliche Freundschaft, deren Bruchstellen sich wie einzelne Mosaiksteine Stück für Stück herauskristallisieren. Je weiter die Reise geht, desto mehr verdichtetet sich das Bild über die beiden jungen Frauen. Doch was ist Fiktion, was ist Wirklichkeit, sowohl im Jetzt als auch in der Vergangenheit? Sara wirkt oftmals so, als ob sie alles beschönigen möchte und Lejla holt sie zurück in die Wirklichkeit, indem sie Saras Erinnerungen widerspricht.

Durch die unglaublich gut skizzierten Charakteren, die rotzige, rebellische, provokante Lejla auf der einen Seite und Sara auf der anderen, die scheinbar so vernünftige, besonnene, die aber eigentlich immer noch nicht bei sich angekommen ist, obwohl sie im Gegensatz zu ihrer Freundin immer privilegiert war und nie um ihr Leben fürchten musste. Das Aufeinanderprallen dieser beiden so unterschiedlichen Figuren verleihen dem Roman eine funkensprühende Lebendigkeit, der man sich nicht entziehen kann.

Abgerundet wir das Ganze durch einen Schluss, der passender nicht sein könnte. Ich sehe ihn in gewisser Weise als Neuanfang. Das Ende ist erst der Anfang in welcher Weise auch immer, man kann vom eigenen Leben nicht weglaufen, ebenso nicht vor seiner Vergangenheit.


FANG DEN HASEN

Autorin: Lana Bastašić
Originaltitel: Uhvati zeca
Übersetzung: Rebekka Zeinzinger
Seitenzahl: 336
Erschienen: 10.03.2021
Verlag: S. Fischer
ISBN: 978-3-10-397032-6
Preis: 22,00 €


Zwerghuhn

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2 Comments

  • Reply Livia 13. April 2021 at 22:42

    Liebes Zwerghuhn

    Es freut mich sehr, dass dir das Buch so gut gefallen hat und ich finde, dass du für deine Rezension wirklich tolle Worte gefunden hast. Dieses Buch ist wirklich jetzt schon eines der Highlights aus dem Jahr 2021.

    Ganz liebe Grüsse an dich
    Livia

    • Reply Lesendes Federvieh 17. April 2021 at 13:16

      Liebe Livia,

      für mich gehört es auch ganz klar zu meinen Highlights 2021. 🥰 Übrigens lese ich demnächst wieder etwas von einer südosteuropäischen Autorin und zwar von Rumena Buzarovska den Kurzgeschichtenband „Mein Mann“. Kennst du das Buch schon?

      Viele liebe Grüße,
      Zwerghuhn

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