Interview

Geschnatter mit Nikola Scott zu „Das Leuchten jenes Sommers“

7. Mai 2019
© Shelley DeJager

Auf der diesjährigen Leipziger Buchmesse haben wir sie als unglaublich sympathischen Menschen kennengelernt, jetzt hat sie über ihren neuen Roman und das Schreiben für euch aus dem Nähkästchen geplaudert. Vorhang auf für Nikola Scott!

Die Literatur scheint schon seit Jahren ein fester Bestandteil im Leben von Nikola Scott zu sein, denn nach einem Studium der Englischen und Neueren Deutschen Literatur in Tübingen arbeitete sie in den USA und in Großbritannien als Lektorin für Krimis und Frauenromane in unterschiedlichen Verlagen. Obwohl sie mittlerweile wieder in Deutschland lebt, schreibt sie faszinierenderweise ihre Romane auf Englisch. Denn dies ist ihre Sprache der Literatur. So sind ihr Debüt „Zeit der Schwalben“ und ihr neuestes Buch „Das Leuchten jenes Sommers“ beispielsweise erst auf Englisch erschienen und mussten dann ins Deutsche übersetzt werden.

Das hat uns natürlich gleich neugierig gemacht, weshalb wir Nikola Scott dazu ausgequetscht und ihr noch einige andere Fragen zu ihrem neuen Roman und dem Mensch hinter dem Buch gestellt haben, die uns förmlich unter den Fingern gebrannt haben: 😄

Dein Buch „Das Leuchten jenes Sommers“ handelt von den Facetten der Liebe, die geschwisterlich beschützend, aber auch einengend besitzergreifend sein kann. Wie bist du auf die Idee gekommen, dieses wichtige Thema in einer fiktiven Geschichte zu verarbeiten? In deinem Nachwort sprichst du an, dass einige Vorfälle realen Fällen entsprechen, wie bist du auf diese gestoßen?

Maddy spukte in meinen Gedanken schon lange herum, ein traumatisiertes Mädchen, das aus der Liebe zur Schwester und zu ihrem Zuhause Kraft schöpft, dort aber auch gefangen ist und sich im Laufe des Romans emotional befreien muss. Daran knüpften sich dann die dunkleren Stränge, vor allem Chloes Ehe. Dass letzteres ein sehr wichtiges Thema ist, was sich vielen Menschen nicht sofort erschließt, merke ich immer wieder, wenn Leser mich als Erstes fragen, warum Chloe es so lange in ihrer Beziehung aushielt. Denn das ist ja genau das Schwierige und das Komplexe: dass man tief im Inneren einer solchen Situation, wo man Angst hat, sich schämt, keinen Ausweg sieht, die Facetten von ‚Liebe’ nur noch sehr schwer auseinander halten kann.  

War es schwierig, diese Sachverhalte im Buch umzusetzen? Konntest du sofort einen Schalter umlegen oder haben dich die Gedanken deiner Charaktere noch in deinem Alltag vereinnahmt?

Ich brauche immer eine halbe Stunde zwischen Schreiben und Familienalltag, vor allem, wenn ich an dunkleren Themen sitze. Das hängt mir oft noch nach. 

Viele Autoren erzählen, ihre Protagonisten würden mit der Zeit ein Eigenleben entwickeln. Erging dir das genauso oder entsprechen sie genau deinen ursprünglichen Vorstellungen?

Das geht mir sehr oft so! Besonders ab der Mitte des Buches gibt es bei mir viel Tauziehen mit meinen Hauptfiguren. Sie möchten ihren eigenen Weg einschlagen oder sich auf einen Seitenpfad begeben, der mir vielleicht auch ganz gut gefallen mag, aber oft nicht in das Ganze passt.

Auf der Leipziger Buchmesse hast du erzählt, dass du deine Bücher in englischer Sprache verfasst, weil das deine Sprache der Geschichten ist. Warum fällt es dir leichter deine Bücher in Englisch zu schreiben, fließen die Ideen dadurch besser?

Ich habe mir Englisch als Sprache eigentlich hauptsächlich angelesen, vor allem durch die großen Frauenromane. Nachdem ich dann selber zehn Jahre mit den Büchern anderer Autoren auf Englisch gearbeitet hatte, habe ich schnell gemerkt, dass mir das Schreiben auf Englisch besser von der Hand geht. Anfänglich war es bestimmt auch eine Brücke zurück nach England, als wir nach zehn Jahren Ausland wieder nach Deutschland zurückkehrten. Und es passt ja auch gut zum Genre!

Liest du deine deutschen Übersetzungen? Wenn ja, was ist der Unterschied zum Original? Werden im Deutschen andere Schwerpunkte gesetzt oder Inhalte zum Beispiel blumiger formuliert, weil wir ja für jede Kleinigkeit ein Wort zu bieten haben? Welche Kriterien sind für dich bei einer guten Übersetzung absolut notwendig?

Ich lese meine deutschen Übersetzungen sehr gerne, da ich finde, dass Nicole Seifert eine tolle Art hat, meine Geschichten auf Deutsch wiederzugeben und immer wieder Wege findet, das Wortgewaltige, das wir im Deutschen ja oft haben, mit dem Original in Einklang zu bringen. Ich denke, eine gute Übersetzung ist eine Kunst, die dem Schreiben und auch dem Lektorieren gleichkommt, denn der Übersetzer hat die schwierige Aufgabe, das Buch in der Übersetzungssprache sowohl spannend zu gestalten als sich ganz eng an das Original zu lehnen. Keine einfache Gratwanderung!

Das Leuchten jenes Sommers

In einem Satz: Wie sieht dein normaler Arbeitstag als Schriftstellerin aus? 

Rund um die Uhr beschäftigt! Schreiben, redigieren, recherchieren, Marketing machen, Kinder betüteln, Haushalt erledigen, abends erschöpft ins Bett fallen. Vom Bild des verträumt am Bleistift kauenden Schreiberlings, der entspannt am Schreibtisch auf die Muse wartet, habe ich mich gleich am Anfang verabschieden müssen…  

Wie kann man sich deinen Schreibplatz vorstellen? Aufgeräumter Schreibtisch, Cafétrubel oder bei gutem Wetter draußen an der frischen Luft?

Mein Tisch ist immer super aufgeräumt, da ich so besser denken kann. Manchmal schreibe ich in der Bibliothek oder nehme meinen Laptop mit in ein Café, aber eher wenn die Ideen stocken, denn ich arbeite sehr gerne zu Hause. Ich gehe auch viel spazieren und diktiere in mein Telefon. 

Diese drei Bücher muss man deiner Meinung nach gelesen haben:

Oh, das ist schwer –  so als ob man sich ein Lieblingskind aussuchen soll! Darf ich die Frage auf Cornwall-Romane einengen? Das würde ja auch gut zu „Das Leuchten jenes Sommers“ passen.

  • Rebecca von Daphne Du Maurier
  • Die Muschelsucher von Rosamunde Pilcher
  • Der Verborgene Garten von Kate Morton

Wie sieht deine Vorbereitung für eine Lesung aus? Hast du dabei ein bestimmtes Ritual?

Ich bin immer übervorbereitet, kopiere mir meine Lesestelle exakt zusammen, lese mir im stillen Kämmerlein selber vor, stelle mir Fragen, die vielleicht auf mich zukommen. Vorbereitet sein nimmt mir die Nervosität vor Ort, so dass ich einfach loslegen kann, wenn ich dann vor dem Publikum sitze.

Deine Geschichte spielt zeitweise in der Vergangenheit, kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges. Wenn du die Möglichkeit hättest eine Zeitreise zu unternehmen, in welcher Zeit würdest du landen und warum?

Oh, da könnte ich mich auch nur schwer entscheiden! Deshalb mag ich dieses Genre besonders gerne, da kann ich mir immer eine Epoche aussuchen, die auf ihre Art und Weise spannungsgeladen ist: Die dunkle Seite hinter der Häkelgardinen-Moral der 50er Jahre (Zeit der Schwalben), das nervenzermürbende Warten auf den Krieg (Das Leuchten) und der Luftkrieg und die latente Bedrohung aus der Luft (mein dritter Roman). 

Du hast lange Zeit in England gelebt, was gefällt dir dort am besten?

Die Landschaft und die Urtümlichkeit des Ländlichen finde ich gerade in Südengland sehr schön. Wir wurden gleich zu Beginn unserer Jahre dort Mitglieder im National Trust, eine Art Denkmalschutz-Organisation, und sind an den Wochenenden gerne mit unseren Jungs über Land gefahren und haben uns Landsitze, Gutshäuser, Gärten, alte Dörfchen angeschaut. Cornwall ist dabei etwas ganz Besonderes, da die Küste wild und etwas verwegen ist, dann aber auch wieder verwunschen und abgelegen – wirklich wunderschön und das perfekte Setting für einen Roman! 

Was machst du, wenn du gerade nicht an einem neuen Buch schreibst?

Wir wandern gerne, reisen viel und sind mit der Family unterwegs. Und ich lese natürlich auch sehr viel, das gehört zum Schreiben unabdingbar mit dazu, vor allem Frauenromane, psychologische Spannung, historische Romane. Und nach den Sommerferien bekommen wir einen Hund – das wird meinen Alltag auch nochmal ein bisschen umkrempeln! 

Das war:

Nicola Scott

Ihr habt noch immer nicht genug von Nikola Scott? Dann schaut doch gleich mal hier auf ihrer Internetseite vorbei! Neugierig auf „Das Leuchten jenes Sommers“? Dann geht’s mit Klick auf den Titel zu unserer Rezension!


Abschließend möchten wir uns natürlich nochmal ganz herzlich bei Nikola Scott für die superschnelle und überaus interessante Beantwortung unserer Fragen sowie den Instagram-Plausch über Dognapping bedanken! 

Zwerghuhn

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2 Comments

  • Reply sommerlese 8. Mai 2019 at 5:02

    Hallo ihr Lieben,

    das ist ein tolles Interview, vielen Dank dafür! "Das Leuchten jenes Sommers" habe ich gerade erst gelesen und habe leider die Autorin auf der Buchmesse ganz knapp verpasst. Umso mehr hat es mich natürlich gefreut, dass ich ihre beiden Romane besitze.

    Es ist manchmal zu schön, erst nach dem Lesen des Romans mehr über die Autorin zu erfahren. Dann kann man verstehen, warum oder wie so schreibt.

    Liebe Grüße
    Barbara

    • Reply Lesendes Federvieh 11. Mai 2019 at 17:49

      Hallo Barbara,

      ich finde auch, wenn man mehr über den Autor/in weiß, dann nimmt man ein Buch ganz anders wahr, so geht es jedenfalls mir.

      Das ist wirklich schade, dass du die Autorin auf der Buchmesse verpasst hat, denn sie ist total sympathisch. Ich durfte sie bei der Präsentation ihres Buches kennenlernen. Diese Veranstaltung war toll, sie hat ganz unkompliziert von ihrem Werdegang erzählt und jede Frage gerne beantwortet. Dafür habe ich bisher von ihr nur das aktuelle Buch gelesen, „Zeit der Schwalben“ steht ganz oben auf meiner Wunschliste.

      Viele liebe Grüße
      Zwerghuhn

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