Rezension

Helenes Stimme | Sanne Jellings

24. April 2023
Helenes Stimme

Inhalt

Sommer 1864: Helene Lange reist zu einer Pfarrersfamilie am Fuß der Schwäbischen Alb, um dort ihr Pensionatsjahr zu verbringen. Angeregte Diskussionen über Literatur, Politik und Philosophie sind fester Bestandteil im Hause Eifert, doch nur unter männlichen Teilnehmern. Frauen sind zum Schweigen verdammt.

Helene, die von dieser Ungerechtigkeit äußerst empört ist, freundet sich mit der sensiblen Pfarrerstochter Marie an, die so ganz anders ist als sie selbst. Denn für sie besteht ihr kompletter Lebensinhalt aus Familie und Haushalt. Zunehmend beginnt jedoch auch diese an der angestammten Rolle der Frau zu zweifeln bis ein schrecklicher Vorfall alles verändert.

Erster Satz

Marie tritt mit dem Eierkorb am Arm vor die Klostermauern.

Eigene Meinung

Sanne Jellings schildert in diesem hochemotionalen Roman über eine der Mütter der deutschen Emanzipation und Reformerin des Bildungswesens den Alltag im Pfarrhaushalt in authentischen Bildern und sprachlich genau in diese Zeit passend, so detailliert, dass der Tagesablauf, die gesellschaftlichen Konventionen allgemein und insbesondere die der Frauen in jeder Zeile erfahrbar werden.

Das Zusammenspiel der einzelnen Figuren ergibt ein ernüchterndes Bild über die Rolle der Frau im 19. Jahrhundert. Gerade durch die tatkräftige und kämpferische Helene auf der einen und die feinfühlige, scheue Marie auf der anderen Seite, deren fiktives Schicksal auf erschütternde Weise die untergeordnete Rolle der Frauen widerspiegelt, ihre Geringschätzung von Seiten der Männer beleuchtet und sichtbar macht, dass die weibliche Meinung überhaupt nichts gilt.

All das ergibt ein beeindruckendes, erschreckendes, wütend und sprachlos machendes Bild der Frau in der Gesellschaft und hier im Besonderen in einem dörflichen Umfeld. Mit jedem Wort, jedem Satz ist mein Zorn über das Patriarchat, die überhebliche Selbstverständlichkeit intelligenter und schlichtweg besser zu sein als Frauen, gestiegen.

Dem Himmel sei Dank, dass Frauen endlich das Sagen in der Mädchenausbildung haben. Und man nicht mehr versucht, den armen Mädchen zum Pläsier der Männer die Flügel zu stützen.

Sanne Jellings: Helenes Stimme (S. 197)

Sanne Jellings hat das Korsett der gesellschaftlichen Konventionen so trefflich seziert und dargestellt, ich konnte an manchen Stellen über den Umgang mit Frauen nur den Kopf schütteln, verstand aber dadurch viel besser, warum Helene so vehement für Bildung eintrat und ihr Leben lang dafür kämpfte.


HELENES STIMME

Autorin: Sanne Jellings
Seitenzahl: 208
Erschienen: 14.02.2023
Verlag: Kindler
ISBN: 978-3-463-00041-1
Preis: 20,00 €


Herzlichen Dank an den Rowohlt Verlag für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

Zwerghuhn

You Might Also Like

No Comments

Leave a Reply