Rezension

High Dive | Jonathan Lee

17. August 2018
High Dive

Inhalt

Brighton, Südengland 1984: Der ehemalige Spitzensportler Moose, der nun als Hotelmanager im hiesigen Grand Hotel arbeitet, kann sein Glück kaum fassen, als das Grand nach seinen Bemühungen tatsächlich ausgewählt wurde die Regierungschefin Margaret Thatcher mitsamt ihrem Kabinett für ein paar Tage zu beherbergen. Bis zur Ankunft der eisernen Lady in 24 Tagen soll alles perfekt sein: Seine aufblühende Tochter Freya, die an der Rezeption arbeitet bis sie sich über ihre Zukunft endlich im Klaren ist, wird den Ausdruck von Langeweile durch Manieren ersetzt, der Portier seinen Bourbonkonsum in Griff bekommen und der Koch ein paar angesagte und nicht minder exquisite französische Gerichte auf die Speisekarte gesetzt haben. Das zumindest hofft Moose. Was er allerdings nicht ahnt: Soeben hat ein junger Mann unter dem Namen Roy Walsh in Zimmer 629 eingecheckt und als Andenken an seinen Besuch und seine Wertschätzung für die Lady eine Bombe platziert, die genau dann detonieren soll, wenn das gesamte Kabinett anwesend ist.

Erster Satz

Als Dan achtzehn war, holte ihn ein Mann, den er nicht kannte, zu einem Ausflug über die Grenze ab.

Eigene Meinung

„High Dive“ ist mir aufgrund der düsteren, bedrückenden Ausstrahlung des relativ schlicht gehaltenen Covers sowie dem spannend klingenden Klappentext ins Auge gefallen. Allerdings wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass diese Erzählung auf einer wahren Begebenheit beruht und Jonathan Lee die Fakten geschickt mit Fiktion verwoben hat.

Zur Regierungszeit von Margaret Thatcher, der eisernen Lady, war ich noch gar nicht auf der Welt, weshalb mir die politischen Hintergründe zu Thatchers Nordirland-Politik sowie der Vorgehensweise der IRA ziemlich unbekannt waren. Das tat dem Lesegenuss allerdings kaum einen Abbruch, denn das Unabhängigkeitsstreben Nordirlands nach Thatchers grausamer Politik der Ungerechtigkeit und das IRA-Bombenattentat auf das Grand Hotel, das am 12. Oktober 1984 stattfand, bilden die gesellschaftspolitische Kulisse für die eigentliche Geschichte. Diese beschäftigt sich vielmehr mit dem Sinn des Lebens in der damaligen Zeit aus dem Blickwinkel dreier unterschiedlicher Menschen.

Diese Charaktere sind mit außerordentlicher Präzision und Detailstärke geschaffen worden, sodass sie neben Jonathan Lees ungeheurer Sprachgewalt nicht zu leeren Silhouetten verblassen. Der spätere Bombenleger Dan alias Roy Walsh ist einer von ihnen. Seinen Lebens- und Leidensweg erlebt man von seiner Initiation in der IRA bis hin zum Ausharren ob des erfolgreichen Anschlages mit, nicht ohne dabei einen Blick unter die scheinbar so emotionslose Fassade zu werfen. Unter dieser verbirgt sich ein junger intelligenter Mann, der seine ganze Existenz der Sache verschrieben hat und fernab der Gruppenzugehörigkeit kaum selbstwertschätzend leben kann.

Nicht minder faszinierend zu beobachten ist die Figur des Moose, der wohl dem heutigen Bild eines Überlebenskünstlers entsprechen dürfte. Denn nach dem Ende seiner vielversprechenden Sportlerkarriere übte er mehrere Berufe aus, um schließlich als Hotelmanager das Grand Hotel in Abwesenheit des altersbedingt kürzertretenden Direktors zu leiten. Aus niederen Verhältnissen stammend, strebte er stets nach etwas Größerem, bildete sich weiter und verfing sich nie im Netz der Frustration, an dessen Rand sich momentan seine Tochter Freya zu befinden scheint. Nach ihrem bravourösen Schulabschluss stehen ihr viele Wege offen, doch die junge Frau weiß noch nichts mit ihrer neu erlangten Freiheit anzufangen und widerstrebt sich den Drängen ihres Vaters, eine Universität zu besuchen, was ihm stets verweigert blieb.

Fazit

„High Dive“ ist ein Roman immenser Sprachgewalt basierend auf den gesellschaftspolitischen Hintergründen zur strengen Regierungszeit Margaret Thatchers und der Unabhängigkeitsbewegung Nordirlands, in dessen Mittelpunkt die drei scharf gezeichneten Protagonisten stehen, die sich eindringlich ihren Ängsten und den Herausforderungen des Lebens zu stellen versuchen.


HIGH DIVE

Autor: Jonathan Lee
Originaltitel: High Dive
Übersetzung: Cornelia Holfelder-von der Tann
Seitenzahl: 464
Erschienen: 11.06.2018
Verlag: btb
ISBN: 978-3-442-75631-5
Preis: 16,00 €


Herzlichen Dank an den Rowohlt Verlag für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

Kathiduck

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