Rezension

Je tiefer das Wasser | Katya Apekina

4. August 2020
Je tiefer das Wasser

Inhalt

Nach dem Selbstmordversuch der Mutter werden die beiden Schwestern Edie und Mae zu ihrem Vater nach New York geschickt. Vor Jahren hatte er die Familie in einem Dorf in Louisiana zurückgelassen und avancierte in der Großstadt zu einem bekannten Schriftsteller. Während die eine Schwester alles in ihrer neuen Umgebung als unverzeihlichen Verrat an ihrer Mutter ansieht, scheint es für die andere die ersehnte Möglichkeit der Befreiung zu sein. Beide entfernen sich zusehends voneinander, bis es schließlich zum Bruch kommt, Edie eine verzweifelte Rettungsaktion startet und Mae die Zuneigung ihres Vaters sucht.

Erster Satz

Es ist unser zweiter Tag in New York.

Eigene Meinung

Unter den Neuerscheinungen entdeckt, neugierig geworden, beim wöchentlichen Lockdown-Lektüre-Booktalk von Hugendubel endgültig vom literarischen Nerd und Mareike Fallwickl angefixt worden: „Je tiefer das Wasser“ hat definitiv vorab ordentlich Wirbel verursacht, weshalb meine Erwartungen natürlich entsprechend hoch waren.

Katya Apekina hält nichts von langen Vorreden, man findet sich direkt in New York im Jahre 1997 wieder, wo man das ungewöhnliche Töchter-Vater-Date-Gespann zu einer Tanzperformance begleitet. Es ist ein vorsichtiges Beäugen und Abschätzen, ein begonnener Versuch der Wiedergutmachung der unwiederbringlich verlorenen zehn Jahre. Obwohl man den Gedanken der einzelnen Protagonisten, vordringlich Edie und Mae gespickt von weiteren Stimmen, folgt, wirkt die Erzählweise recht nüchtern, geradezu seltsam distanziert und führt doch zu einer geradezu hypnotisierenden Sogwirkung wenn man sich darauf einlässt.

Manchmal plätschert die Handlung dahin wie ein ruhiger Gebirgsbach, nur um sich in Windeseile in einen reißenden Strom zu verwandeln, der mit roher Gewalt und Brutalität die Klippe hinabstürzt. Von außen betrachtet ein großartiges Spektakel, doch mittendrin ein wahrer Kampf um das Überleben.

Es ist die Geschichte offenkundiger wie verborgener Obsessionen, eine großartige Analyse eines mühsam aufrechterhaltenen Familienkonstruktes mitsamt der tiefschürfenden Geheimnisse und Probleme. Während die ältere Edie sich ihrer Zukunft beraubt fühlt und jeden Schritt ihres Vaters mit Argusaugen beobachtet, in Erwartung erneut verlassen zu werden, ist die neue Situation für Mae die Erhörung ihres stummen Hilfeschreis nach Befreiung aus den Klauen ihrer schwerst psychisch instabilen Mutter. Doch auch die schnell aufkeimende innige Beziehung zu ihrem Vater wirft allerhand Zweifel und dunkle Vorahnungen auf, die ein unterschwellig mulmiges Gefühl während des Lesens erzeugen. Denn Dennis Lomack benötigt stets eine Muse, um gänzlich in seinem kreativen Schaffensprozess aufzugehen, wobei die Grenzen zwischen Realität und Fiktion zusehends gefährlich verschwimmen.

Fazit

„Je tiefer das Wasser“ ist zweifelsohne zurecht in aller Munde, denn es beeindruckt mit einer erschreckenden Familienstudie hervorragend ausgearbeiteter Charaktere, die noch lange nachhallt.


JE TIEFER DAS WASSER

Autorin: Katya Apekina
Originaltitel: The Deeper the Water the Uglier the Fish
Übersetzung: Brigitte Jakobeit
Seitenzahl: 396
Erschienen: 17.02.2020
Verlag: Suhrkamp
ISBN: 978-3-518-42907-5
Preis: 24,00 €


Herzlichen Dank an den Suhrkamp Verlag für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

Kathiduck

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