Rezension

Libellen im Kopf | Gavin Extence

30. Dezember 2018

Inhalt

Abby, die als freie Autorin arbeitet und in London lebt ist bipolar. Nachdem sie ihren Nachbarn tot in seiner Wohnung auffindet gerät der fragile Zustand, in dem sich ihre Psyche befindet, aus dem Gleichgewicht.

Erster Satz

Simons Wohnung war ein Spiegelbild unserer eigenen.

Eigene Meinung

Psychische Krankheiten werden leider auch heutzutage immer noch viel zu häufig als Schwäche gesehen oder als Kleinigkeiten unter den Teppich gekehrt. Für Außenstehende liegt diese Reaktion nicht fern, denn wer noch nie selbst Erfahrungen mit psychischen Krankheiten gemacht hat, dem fällt es schwer sich in die Betroffenen hineinzuversetzen und das Problem dementsprechend ernst zu nehmen. Durch „Libellen im Kopf“ ermöglicht Gavin Extence, der selbst Ähnliches wie die Hauptperson erlebt hat, einen Einblick in die Geschehnisse während einer zunächst manischen und anschließend depressiven Phase.

Der Einstieg in den Roman mag dem Leser etwas schwerfallen, was bereits Teil der Psychosomatik Abbys ist: Sie findet Ihren Nachbarn, den sie durch die Anonymität der Großstadt nicht besonders gut kennt, tot in seinem Apartment auf als sie sich eine Dose Tomatensoße ausleihen wollte. Trotz der nur flüchtigen Bekanntschaft rechnet man beim Anblick eines Toten mit einer anderen Reaktion als der Abbys, die sich erstmal eine Zigarette anzündet und gemütlich eine qualmt – in einem Raum mit der Leiche. 

Im weiteren Verlauf der Geschichte schleichen sich ganz langsam die ersten Symptome der manischen Phase Abbys ein, die der Autor so exzellent und greifbar beschreibt, dass dem Leser Abbys Gedanken inmitten Ihrer Hyperaktivität und Schlaflosigkeit, ihrem Tatendrang und den daraus resultierenden impulsiven Handlungen weniger wie die Anzeichen einer psychischen Schieflage, sondern vielmehr wie das Natürlichste auf der Welt vorkommen. Mit anderen Worten: Man verliert völlig aus dem Blick, dass die Protagonistin in eine Manie fällt, indem man sich soweit in sie hineinversetzt, dass man die alarmierenden Anzeichen im Lesefluss überhaupt nicht mehr bemerkt. Die darauffolgende Depression trifft sie und die Lesenden wie ein Paukenschlag: Extence beschönigt nichts und sorgt somit auch hier für einen außergewöhnlichen Einblick an Abbys Tiefpunkt.

Bei dem bunten Cover und dem leicht frohlockenden Titel hätte ich wahrscheinlich nie eine so einfühlsame und doch kraftvolle Beschreibung einer Episode aus dem Leben einer bipolaren jungen Frau erwartet. Die Höhen und Tiefen fühlt man in jedem Satz, was zusammen mit der gelungenen Protagonistin zu einem tollen Roman führt. 

Fazit

„Libellen im Kopf“ eröffnet dem Leser nicht nur einen anderen Zugang zum Thema der psychischen Krankheiten, sondern hinterlässt auch Tage nach Beendigung des Buches einen tiefen Eindruck.


LIBELLEN IM KOPF

Autor: Gavin Extence
Originaltitel: The Mirror World of Melody Black
Übersetzung: Alexandra Ernst
Seitenzahl: 352
Erschienen: 19.11.2018
Verlag: Blanvalet
ISBN: 978-3-8090-2634-1
Preis: 10,99 €


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8 Comments

  • Reply Aleshanee Tawariell 31. Dezember 2018 at 5:52

    Hi!

    Ich hab das Buch vor einer Weile auch gelesen und ich am Anfang war ich noch etwas skeptisch, weil ich so gar nicht wusste, wie ich das ganze annehmen soll.
    Aber den Verlauf beschreibt er wirklich sehr sehr gut und es wird einem immer bewusster, wie sehr diese Krankheit in das Leben eingreift und wie hilflos und auch missverstanden diese Menschen sind, die damit zu kämpfen haben.

    Ein wirklich sehr außergewöhnliches Buch!

    Liebste Grüße und einen guten Start ins Neue Jahr!
    Aleshanee

    • Reply Lesendes Federvieh 2. Januar 2019 at 11:32

      Hey Aleshanee,

      ich wünsche dir auch alles Gute für 2019!

      Bei solchen Themen ist es immer eine Gradwanderung zwischen genial und total daneben, die Mitte lässt sich kaum treffen. Ich habe das Buch noch nicht gelesen, aber es klingt wirklich super, sobald ich meinen SuB also verkleinert habe, werde ich "Libellen im Kopf" also hoffentlich lesen. 😀

      Ganz liebe Grüße,
      Kathi

  • Reply Livia 2. Januar 2019 at 12:11

    Hallo Kathi? Oder wer ist Nando? 😉

    Auf jeden Fall möchte ich sehr gerne sagen, dass dir diese Rezension sehr gut gelungen ist. Ich habe das Buch auch gerne gelesen und war ebenfalls überrascht und begeistert von der Wucht, die der Geschichte innewohnt.

    Für das Jahr 2019 wünsche ich euch von Herzen alles Liebe, Gesundheit und viele tolle Bücherstunden 🙂
    Livia

    • Reply Lesendes Federvieh 2. Januar 2019 at 12:22

      Hallo Livia,

      hinter Nando verbirgt sich meine beste Freundin, die auch mal Bloggerluft schnuppern möchte. 😀

      Dankeschön, dir wünschen wir für 2019 natürlich alles Gute, mögen all deine (Bücher-)Wünsche in Erfüllung gehen! 😀

      Herzliche Grüße,
      Kathi

    • Reply Livia 2. Januar 2019 at 14:25

      Ah, ist ja toll, das habe ich nicht mitbekommen. Tolle Rezension Nando 🙂

    • Reply Lesendes Federvieh 2. Januar 2019 at 14:50

      Das hier ist auch ihr erstes Gastspiel auf unserem Blog. 😀

    • Reply Lesendes Federvieh 2. Januar 2019 at 16:01

      Hallo Livia,

      ich bin's, Nando!

      Vielen Dank für deine lieben Grüße! Ich wünsche dir auch ein gutes neues Jahr 2019 mit vielen Büchern, die auf ähnliche Weise berühren wie "Libellen im Kopf". 🙂

      Liebe Grüße,
      Nando

  • Reply j125 6. Januar 2019 at 18:47

    Hallo Nando,

    das Buch steht schon ewig auf meiner Wunschliste. Nach deiner Rezension habe ich direkt wieder Lust drauf.

    Ich lese sehr gern Bücher über außergewöhnliche Charaktere. Egal ob die Personen psychisch krank sind oder körperlich beeinträchtigt sind.

    Liebe Grüße
    Julia

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