Rezension

Margherita und der Mond | Andrea De Carlo

23. Juli 2021
Margherita und der Mond

Inhalt

Margherita Malventi hat sich in Venedig ihren Berufstraum eines eigenen kleinen, feinen Restaurants erfüllt. Sie liebt es die einzelnen Zutaten auf dem Markt auszusuchen, um daraus dann phantasievolle Gerichte zu kochen. Inzwischen jedoch hat sich in ihr Leben außerhalb des Kochens eine Routine entwickelt, die ihr nicht guttut. So stimmt sie sofort zu ihren Vater, den berühmten Starkoch Achille Malventi, zu begleiten, der als Ehrengast in eine angesagte Kochshow eingeladen ist. Während es im Studio turbulent wird, blickt Margherita immer intensiver zurück auf ihr bisheriges Leben und ahnt nicht, dass ihr Leben beginnt in andere Bahnen zu fließen…

Erster Satz

Langsam wurde ich nervös, eine geschlagene Viertelstunde stand ich nun schon am Bahnhofsufer direkt neben der Vaporetto-Haltestelle und wartete, dann tauchte endlich das grüne Boot meiner Eltern auf, mit meiner Mutter am Steuer, meinem Vater auf der Mittelbank, und schob sich langsam durch den dichten Verkehr, zwischen Vaporetti, Kuttern und hoch mit Kartons beladenen Lastkähnen hindurch, die sich auf dem jadefarbenen Wasser tummelten.

Eigene Meinung

Schon nach dem Lesen des ersten Satzes war ich wieder mittendrin in der Lebendigkeit Venedigs und Italiens, also die ideale Voraussetzung um von der ersten Seite an direkt im Geschehen dabei zu sein. Sehr schön fand ich dabei die großartig skizzierten Charaktere, die ich sofort vor Augen hatte. Allen voran natürlich Achille, dieser außergewöhnliche, quirlige, leicht reizbare, störrische, laute, sich oft selbst im Weg stehende und doch im Grunde liebenswerte alte Herr, der seine Kochleidenschaft einfach im Blut hat und auch mit 87 Jahren noch voll sprühender Ideen steckt.

Seine Tochter Margherita erzählt aus ihrer Perspektive, unter anderem vom Fernsehauftritt ihres Vaters und dabei erfährt man so viel mehr über ihr Verhältnis zu ihrem Vater und auch von ihr, es ist ein aufschlussreiches Porträt einer schwierigen Vater-Tochter-Beziehung. Bei aller Begeisterung für die beiden, hätte ich jedoch gerne mehr darüber gewusst, wie es zu dem angespannten Verhältnis zwischen Achille und Margherita überhaupt gekommen ist. Auch das Ende bot mir diesbezüglich keine aufschlussreiche Erkenntnis.

Großartig hingegen fächert Andrea De Carlo die Scheinwelt der so beliebten Kochshows messerscharf auf. Dieser Blick hinter die Kulissen ist witzig, pointiert und so lebendig und locker beschrieben, die Szenen liefen wie ein Film vor meinem inneren Auge ab. Jede gelesene Seite mehr verdeutlicht die Austauschbarkeit eines solchen Fernsehformates mehr als deutlich. Es war ein Vergnügen, diese Passagen zu lesen. Ebenso die bildhaften Beschreibungen und Szenen zu Venedig und der innovativen, ausgezeichneten italienischen Küche. Gerade Margheritas Überlegungen immer wieder neue Gerichte zu kreieren und wie viel dazu gehört, um einem vermeintlich leichten Essens das gewisse Etwas zu verleihen, vermittelt eine für mich interessante und spannende neue Sicht auf die Welt des Kochens.

Die Geschichte an sich ist wirklich gut erdacht, aber die Umsetzung konnte mich nicht vollständig überzeugen. Bis zum Schluss des Buches wusste ich etwa mit der Figur des Zauberers nicht wirklich etwas anzufangen. Dennoch sprachlich flott und unterhaltsam geschrieben, liest sich der Roman wie ein lockerer Kurzurlaub in Venedig. Und in Venedig sind ja oft auch zu viele Personen unterwegs, somit schließt sich der Kreis dann doch wieder.


MARGHERITA UND DER MOND

Autor: Andrea De Carlo
Übersetzung: Petra Kaiser
Seitenzahl: 288
Erschienen: 28.04.2021
Verlag: Diogenes
ISBN: 978-3-257-30077-2
Preis: 18,00 €


Herzlichen Dank an den Diogenes Verlag für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

Zwerghuhn

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2 Comments

  • Reply Livia 28. Juli 2021 at 0:10

    Liebes Zwerghuhn

    Ich bin zwiegespalten…einerseits geht es um ein Restaurant und das Kochen, andererseits konnte dich das Buch nicht komplett überzeugen und ich kann deine Kritik vor allem auch sehr gut nachvollziehen… Wahrscheinlich werde ich mir einfach einmal eine Leseprobe ansehen.

    Alles Liebe
    Livia

    • Reply Lesendes Federvieh 1. August 2021 at 14:48

      Liebe Livia,

      die Leseprobe ist eine gute Idee. Das mache ich in letzter Zeit auch immer öfter. Es gibt ja ziemlich unterschiedliche Meinungen zu diesem Buch. Ich habe lange überlegt, wie ich die Rezi schreiben soll, aber letztlich fand ich die Passagen rund ums Kochen so unterhaltsam und interessant – und das hat für mich einige Schwachstellen wieder wett gemacht. 🙂

      Viele liebe Grüße
      Zwerghuhn

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