Rezension

Nichts zu verlieren. Außer uns. | Lea Coplin

28. Dezember 2018
Nichts zu verlieren. Außer uns.

Inhalt

Max von Linden hat einflussreiche Eltern, lebt in einer Penthouse Wohnung mitten in München, besitzt ein scheinbar unendliches Maß an Selbstvertrauen und sieht natürlich unverschämt gut aus. Doch trotz all dieser Vorzüge ist er nicht glücklich und versucht alles, um den Geburtstag seines verhassten Vaters zu verpassen, was ihn nach Edinburgh führt. Ähnliche Motive führen die kratzbürstige Straßenmusikerin Lina Stollberg in die schottische Metropole, der das Leben mehrmals übel mitgespielt hat und die nun jedes Lügenmärchen erzählt, um von ihrer wahren Geschichte abzulenken. Wie es der Zufall will, stolpern ausgerechnet diese beiden äußerlich so vollkommen unterschiedlichen Menschen am Flughafen übereinander, wobei erstmal die Funken fliegen. Aus dieser anfänglichen Antipathie wird bei einer Roadtrip-Zwangsgemeinschaft quer durch Schottland zusehends mehr. Je näher der Zeitpunkt der Rückreise nach Deutschland rückt, desto mehr drängt sich die Frage in den Vordergrund, was zwischen den beiden echt ist und was übrig bleibt, wenn alle Masken fallen.

Erster Satz

Ich weiß nicht, weshalb ich ihm nicht meinen richtigen Namen genannt habe, aber jetzt ist es zu spät, um daran etwas zu ändern.

Eigene Meinung

Wie schon Lea Coplins Jugendbuchdebüt „Nichts ist gut. Ohne dich.“ habe ich den Spin-Off davon, in dessen Mittelpunkt der charismatische Max von Linden steht, noch an dem Tag verschlungen als ich das Buch aus dem Briefkasten gezogen habe. Gefiel mir das Erstlingswerk schon gut, so hat mir „Nichts zu verlieren. Außer uns.“ noch weitaus besser gefallen, weil mich die Geschichte von Lina und Max in ihren Bann gezogen und vollkommen überzeugt hat. Sie war echt und wirkte nicht konstruiert.

Große Handlungen wird man hier vergebens suchen, aber genau das macht für mich den Reiz dieser Erzählung aus. Denn dadurch liegt der Fokus gänzlich auf den beiden Charakteren, die das Buch mit ihren schlagfertigen Dialogen und ihrem teils sehr eigenen Charme zum Leben erwecken. Durch den intensiven, direkten Schreibstil und die wechselnden Erzählperspektiven nimmt man als Leser förmlich selbst den Platz von Lina beziehungsweise Max ein, was die Geschichte für mich noch interessanter gemacht hat.

Die Figur des attraktiven Max von Linden, der nur so in Geld zu schwimmen scheint, fand ich schon in „Nichts ist gut. Ohne dich.“ faszinierend, denn unter der hübschen Oberfläche brodelte es schon darin gewaltig. Als reiches Politikersöhnchen genießt er zwar die Vorzüge einer Kreditkarte ohne Limit, doch gleichzeitig rebelliert er gegen die Bevormundung durch seinen Vater in dem Bestreben ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Allerdings erinnern seine Versuche bis dahin eher an pubertierendes Aufbegehren, denn indem er wenige Tage vor dem Geburtstag seines Vaters von der Bildfläche verschwindet, nur um ihm zu zeigen, dass er sich nicht alles gefallen lässt, finde ich schon ein wenig schwach. Doch in seiner scheinbar grenzenlosen Arroganz und seinem unbedingten Drang zur Rebellion belügt er sich selbst, denn wonach er sich eigentlich sehnt ist Anerkennung.

Genau hierbei kommt nun die kratzbürstige Straßenmusikerin Lina Stollberg ins Spiel, die mit ihm das erste Mal auf dem Flughafen in Edinburgh zusammenstößt, wo sogleich die Funken fliegen. Die beiden beurteilen einander aufgrund ihrer gegensätzlichen Äußerlichkeiten und persönlichen Vorurteile und erkennen doch nicht, dass sie sich innerlich eigentlich ziemlich ähnlich sind. Beide sind unglücklich und auf der Suche nach ihrem Platz im Leben. Linas Mutter kümmert sich stets mehr um ihren aktuellen Freund als ihre Tochter und ihren psychisch kranken Sohn, der professionelle Unterstützung bräuchte. Deshalb sieht Lina sich in der Verantwortung finanziell für sich und ihren Bruder zu sorgen, was sie mit ihrer Straßenmusik zu erreichen versucht. Schon in jungen Jahren war Lina auf sich alleine gestellt, hat sich jedoch nicht aufgegeben, sondern immer weitergekämpft, was sie zu einer starken, jungen Frau mit einer harten Schale gemacht hat, unter der sich jedoch ein weiches Herz verbirgt.

Durch einige Verkettungen des Schicksals bilden die beiden schlussendlich eine Zweckgemeinschaft und machen einen Roadtrip quer durch Schottland. Zu jeder Menge genialer verbaler Schlagabtausche, die unglaublich viel Witz versprühen und mich jedes Mal zum Schmunzeln gebracht haben, gesellen sich zunehmend das Gefühl von Erkenntnis, Verständnis und Verbundenheit. Es stellt sich nur die Frage, wie beständig Emotionen sind, wenn die stabile Unterlage des Vertrauens von einem Moment auf den anderen weggerissen wird. Erwähnenswert finde ich auch Linas ausdrucksstarke Songtexte, denn diese ermöglichen einen direkten Einblick in ihre Gefühlswelt, die sie ansonsten vor jedem, sogar sich selbst, verbirgt. 

Fazit

„Nichts zu verlieren. Außer uns.“ ist ein unabhängig lesbarer Spin-Off von Lea Coplins Jugendbucherstling, in dessen Mittelpunkt das attraktive, reiche Politikersöhnchen Max von Linden steht, der aus seinem Käfig der Bevormundung ausbrechen will. In Schottland trifft er auf die Straßenmusikerin Lina, die ungewohnterweise nicht sofort von ihm fasziniert ist. Die Geschichte zweier Menschen auf der Suche nach ihrem Platz im Leben besticht besonders durch die ausdrucksstarken Charaktere und ihre amüsanten, schlagfertigen Dialoge.


NICHTS ZU VERLIEREN. AUßER UNS.

Autorin: Lea Coplin
Seitenzahl: 368
Erschienen: 21.09.2018
Verlag: dtv
ISBN: 978-3-423-71799-1
Preis: 10,95 €


Herzlichen Dank an den dtv Verlag für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

Kathiduck

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