Rezension

Noah – Von einem, der überlebte | Takis Würger

17. April 2021
Noah

Inhalt

Mit 13 half Noah Klieger während der deutschen Besatzung Belgiens, jüdische Kinder in die Schweiz zu schmuggeln. Mit 16 kam er im Morgengrauen als Häftling in Auschwitz an und meldete sich für die Boxstaffel, ohne zuvor jemals geboxt zu haben. Er überlebte vier Konzentrationslager und drei Todesmärsche bis die Konzentrationslager von den Alliierten befreit wurden – er war zu diesem Zeitpunkt 20.

Takis Würger erzählt anhand der Erinnerungen Noah Kliegers dessen Lebensgeschichte, die neben seiner Kindheit im Frankreich der 1920er Jahre, dem Überlebenskampf in den Konzentrationslagern von seinem lebenslangen Engagement für die Staatsgründung Israels handelt.

Erster Satz

Im Frühling des Jahres 2018 in Tel Aviv sitzt ein alter Mann unter einem Kumquatbaum im Garten eines Hochhauses und erzählt seine Geschichte.

Eigene Meinung

Nach seinem die Literaturwelt spaltenden Roman über die jüdische Greiferin Stella Goldschlag hat Takis Würger nun eine andere Perspektive gewählt, um das Grauen der NS-Zeit in all seiner Abscheulichkeit wiederaufleben zu lassen. „Noah“ sind die Erinnerungen von Noah Klieger, einem, der drei Todesmärsche, vier Konzentrationslager und noch viel mehr überlebte.

Ein Häftling sagte: „Meine Freunde, wir sind in der Hölle gelandet.“ Sein Nebenmann sagte: „Und diese Hölle heißt Auschwitz.“

Würger, Takis: Noah – Von einem, der überlebte (S. 29).

In nüchterner, geradezu distanzierter Sprache erzählt Takis Würger die beeindruckende wie Übelkeit evozierende Geschichte eines Überlebenskünstlers, dessen Erinnerungen durchsetzt sind von Szenen des nagenden Hungertodes, abscheulicher Qualen sowie willkürlicher Brutalität und bestialischen Tötungen. Insbesondere durch die allegorische Aneinanderreihung unvorstellbaren Grauens wird das Erlebte umso eindringlicher, schmerzlicher und abstoßender spürbar. Mir war während des Lesens gleichermaßen schlecht wie ich unfassbar wütend auf diejenigen war, welche die massenhafte Enteignung, entsetzliche Schändung und gewissenlose Ermordung Millionen unschuldiger Menschen zu verantworten hatten.

Doch inmitten all des Grauens und der Verzweiflung gibt es berührende Szenen der Menschlichkeit, die aufgrund ihrer Diskrepanz zu den Taten der Nationalsozialisten für eindrucksvolle Momente der Hoffnung und vergessenen Barmherzigkeit sorgen. Noahs Erinnerungen sind gleichermaßen erschreckend, wie sie auch auf beeindruckende Weise von großem Durchhaltevermögen und dem unerbittlichen Kampf für ein selbstbestimmtes Leben erzählen, welcher mit der Befreiung durch die Alliierten einen neuen Anfang findet.

Obgleich die anschließenden, eingehenden Schilderungen seiner beschwerlichen Reise nach Palästina und des lebenslangen Engagements für die Staatsgründung Israels einen eher kleinen Teil einnehmen, ergänzen und verdichten sie doch anschaulich das Bild der schwer traumatisierten Schicksale und heimatlosen Seelen, die für ihre Grundrechte kämpfen müssen.

Ergänzend finden sich im hinteren Teil des Buches zwei Nachworte von Alice Klieger und Sharon Kangisser Cohen, welche die Erinnerungen von Noah Klieger in einen familiären wie fachlich fundierten Kontext setzen, der Erzählung in meinen Augen jedoch einen kleinen Dämpfer verpassen.

Fazit

Ohne durch Sprache zu beschönigen oder zu verschleiern erzählt Takis Würger in „Noah – Von einem, der überlebte“ ungefiltert von den beeindruckenden wie abscheulichen Erinnerungen Noah Kliegers an seinen Überlebenskampf in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten und seinem lebenslangen Engagement für die Gründung des Staates Israel.


NOAH – VON EINEM, DER ÜBERLEBTE

Autor: Takis Würger
Nachwort: Alice Klieger & Sharon Kangisser Cohen
Seitenzahl: 188
Erschienen: 01.03.2021
Verlag: Penguin
ISBN: 978-3-328-60167-8
Preis: 20,00 €


Herzlichen Dank an den Penguin Verlag für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

Kathiduck

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3 Comments

  • Reply wolfgang weiland 18. April 2021 at 11:17

    danke hierfür, ich werde es lesen…

    lg wolfgang

    • Reply Lesendes Federvieh 18. April 2021 at 14:05

      Sehr gerne! Es freut mich, dass ich dich für dieses eindrucksvolle Buch begeistern konnte. 😀

      Herzliche Grüße,
      Kathi

  • Reply Livia 7. Mai 2021 at 0:21

    Liebe Kathi

    Das klingt wirklich heftig und ich werde mir vielleicht zuerst einmal die Leseprobe anschauen, bevor ich mir dieses Buch kaufe. Takis Würger hat ja mit seinem Erstling total polarisiert, schön, dass er mit „Noah“ offensichtlich überzeugender sein konnte.

    Ganz liebe Grüsse und danke für den Tipp
    Livia

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