Rezension

Räuber | Eva Ladipo

9. September 2021
Räuber

Ungerechtigkeit entstand schleichend, unter dem Mantel der Vernunft, mit stillem Einverständnis der Mehrheit.

Eva Ladipo: Räuber (S. 234)

Boomende Immobilienpreise und steigende Mieten sind im heiß umkämpften Berliner Wohnungsmarkt längst keine Ausnahme mehr, sondern die Regel. Dass die soziale Säuberung im Rahmen der Gentrifizierung jedoch zahlreiche Familien ihres Zuhauses beraubt, die in heruntergekommene Wohnungen an den Rand der Stadt gedrängt werden, wird billigend in Kauf genommen.

Eva Ladipo verleiht in „Räuber“ denjenigen eine Stimme, die ihrer so lange beraubt wurden: den Verdrängten. In Gestalt des für seinen Job viel zu intelligenten jungen Bauarbeiters Olli Leber, seiner verhärmten, vom Leben gezeichneten Mutter sowie seines Cousins Mark, der seine kriminelle Vergangenheit für einen eigenen Frisörsalon hinter sich gelassen hat und den Mietern der Nummer 9 taucht man in den bitteren Kampf um Stolz, Würde und Wohnraum ein.

Unterstützung in seinem Bestreben die Sozialwohnung seiner Mutter vor dem Abriss zu bewahren, findet Olli unverhofft in Person der bekannten Journalistin Amelie Warlimont, die unter der Enge ihrer Ehe leidet und obendrein alte Rechnungen mit der Stadt zu begleichen hat.

Spielerisch, geradezu fließend wechseln die Erzählperspektiven, denn oftmals verweilt man in der gleichen Szenerie, während sich lediglich der Fokus ändert. Jedoch hat dieser minimale Schwenk der Aufmerksamkeit große Wirkung, da man hierdurch zwischen gänzlich unterschiedlichen Lebenssituationen, Einkommensstufen sowie Herkunftsklassen changiert und das innerhalb eines Wimpernschlages.

Fazit

Mit journalistischer Präzision gelingt es Eva Ladipo die tief verwurzelten Fäden der Gentrifizierung am Beispiel des Berliner Wohnungsmarktes aufzudröseln und sie eingebettet in eine moderne Ganovengeschichte inklusive romantischer Liason im Stile von Bonnie und Clyde verständlich zugänglich zu machen. Denn soziale Ungerechtigkeit ist kein Problem der Unterschicht, sondern eines unserer Gesellschaft, das es anzugehen gilt.


RÄUBER

Autorin: Eva Ladipo
Seitenzahl: 544
Erschienen: 08.03.2021
Verlag: Blessing
ISBN: 978-3-89667-678-8
Preis: 24,00 €


Herzlichen Dank an den Diogenes Verlag für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

Zwerghuhn

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2 Comments

  • Reply Livia 9. Oktober 2021 at 0:08

    Hallo liebe Kathi,

    Das klingt wieder einmal nach einem Buch, das mir auch gefallen könnte, das mir aber aktuell zu intensiv wäre. Gerade läuft so viel bei mir, dass ich lieber zu leichteren Lektüren greife. Das Buch merke ich mir aber auf jeden Fall vor. Andere Zeiten werden kommen.

    Alles Liebe an dich
    Livia

    • Reply Lesendes Federvieh 12. Oktober 2021 at 15:33

      Liebe Livia,

      ich kann mir auch sehr gut vorstellen, dass dir Eva Ladipos „Räuber“ gefallen könnten. Allerdings würde ich dir wirklich empfehlen das Buch erst zu lesen, wenn du Ruhe und Muße dazu hast, damit du all die feinen inhaltlichen Details aufsaugen kannst. 🙂

      Allerliebste Grüße,
      Kathi

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