Rezension

Schockraum | Tobias Schlegl

28. Dezember 2020
Schockraum

Inhalt

Kim hat mit knapp 30 Jahren nochmal ganz von vorne angefangen. Er hat seinen gutbezahlten Job als Werbetexter gekündigt und sich drei Jahre lang zum Notfallsanitäter ausbilden lassen, um etwas gesellschaftlich Relevantes zu tun. Was sich lange genau richtig angefühlt hat, wird für Kim zunehmend zur psychischen Belastungsprobe, denn etwas ist anders. Im Dienst ist er ängstlich, wie betäubt und macht Fehler, seine Beziehung zu Marie scheitert an seiner emotionalen Distanziertheit. Erst mit der Zeit und durch einen Roadtrip mit seinem besten Freund Benny wird Kim klar, dass all seine Probleme mit einem traumatischen Einsatz zusammenhängen. Am Meer bietet sich für ihn ein unverhoffter Ausweg und doch muss er sich zunächst seinen Ängsten stellen.

Erster Satz

Einhundertsieben Jahre.

Eigene Meinung

„Schockraum“ ist mehr als nur ein unterhaltsamer, temporeicher Roman, es ist ein lautstarker Apell an die Politik, dass sich in unserem Gesundheitssystem etwas ändern muss und das dringend. Gleichzeitig sensibilisiert es Außenstehende für die anspruchsvolle, nervenzehrende, aber auch unglaublich wichtige Arbeit des Rettungsdienstes und gibt interessante wie erschreckende Einblicke hinter die Kulissen.

Man wohnt bedeutenden Momenten wie der Geburt eines Kindes oder einer gelungenen Reanimation bei und spürt darin die brennende Leidenschaft für diesen Beruf und bekommt gleichermaßen die zahlreichen Missstände zu spüren. Kontinuierlicher Personalmangel, seelische wie körperliche Überarbeitung bei nervenzehrenden 12-Stunden-Schichten sowie mit psychischem Druck eingeforderte Überstunden und freie Tage, um die zahlreichen Lücken des Schichtplans zu stopfen, stehen leider auf der Tagesordnung.

Inmitten all dessen findet sich Notfallsanitäter Kim wieder, der nach einem traumatischen Einsatz zusehends die Kontrolle über sein Leben verliert und auch im Dienst nicht mehr richtig funktioniert. In sich wiederholenden Szenen des Grauens erhascht man kleine Einblicke in das traumatische Erlebnis, das als letzter Tropfen das randvolle mit Überarbeitung, Frust und emotionalem Stress gefüllte Fass zum Überlaufen gebracht hat. Bei diesen Albtraumrückblicken, welche in unregelmäßigen Abständen in die Geschichte eingestreut sind, handelt es sich um Variationen ein und desselben Einsatzes mit geringfügigen Unterschieden, die sich doch um ein und denselben erschreckenden Kern drehen: die Ursache für Kims seelisch instabilen Zustand.

Zwischen Adrenalin und Empathie begleitet man Kim auf seinem Kampf um das Überleben in einem Job, in dem es auf jede Sekunde ankommt. Dabei ist die mitreißende Geschichte äußerst temporeich erzählt, beeindruckt mit klarer Sprache und authentischen Charakteren, die allesamt wie aus dem Leben gegriffen wirken.

Fazit

„Schockraum“ ist ein temporeicher Roman von Überlebenskämpfen, Freundschaft und neuen Chancen, welcher fundiert die Augen für die harte, nervenzehrende und absolut überlebenswichtige Arbeit im Blaulichtmileu öffnet. Gleichzeitig ist es ein lautstarker Appell an die Politik nach Handlungsbedarf bezüglich des maroden Gesundheitssystems, um weiterhin Leben retten zu können.


SCHOCKRAUM

Autor: Tobias Schlegl
Seitenzahl: 288
Erschienen: 31.08.2020
Verlag: Piper
ISBN: 978-3-492-07019-5
Preis: 22,00 €


Herzlichen Dank an den Piper Verlag für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

Kathiduck

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4 Comments

  • Reply Dana - Bambinis Bücherzauber 5. Januar 2021 at 20:35

    Hallo 🙂
    Danke für die tolle Buchvorstellung, irgendwie ist das im Sommer ganz an mir vorbei gegangen. Ich arbeite zwar nicht als Notfallsanitäter und auch nicht in der Notaufnahme, aber auf der Intensivstation und ich glaube, dieses Buch könnte für mich interessant sein. Das wandert auf jeden Fall auf meine Merkliste.
    Liebe Grüß
    Dana

    • Reply Lesendes Federvieh 7. Januar 2021 at 14:20

      Liebe Dana,
      ich glaube, dann ist es genau das richtige Buch für dich! Nachdem ich bei 1LIVE Stories eine Lesung dazu gehört habe, musste ich es unbedingt lesen. Besonders beeindruckend finde ich, wie er die Defizite in unserem Gesundheitssystem fundiert und eindringlich aufzeigt. 🙂

      Erzähl mir doch gerne, wie es dir gefallen hat, wenn es denn bei dir einzieht! 😀

      Herzliche Grüße,
      Kathi

  • Reply Livia 8. Januar 2021 at 22:35

    Liebe Kathi

    Das Bild hat mir jetzt schon einie Male kurz das Herz stehen lassen 😉
    Wie schön, dass dir das Buch auch noch so gut gefallen hat und dass es auch sehr kritisch ist.

    Alles Liebe
    Livia

    • Reply Lesendes Federvieh 9. Januar 2021 at 19:22

      Liebe Livia,

      ohje, tut mir leid! Weil es so perfekt zum Buch passt, musste meine Reanimationspuppe, die wir von der Uni im Rahmen der Notfallwoche bekommen haben, unbedingt mit auf das Bild 😀
      Ich hatte große Erwartungen an das Buch, die nicht enttäuscht wurden! 🙂
      Herzliche Grüße,
      Kathi

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