Rezension

Streulicht | Deniz Ohde

9. Oktober 2020
Streulicht

Inhalt

Inmitten eines Industrieortes, wie es viele in Deutschland gibt, wächst die Ich-Erzählerin auf. Als sie zur Hochzeit ihrer Freunde an den Ort ihrer Kindheit und Jugend zurückkehrt, werden Erinnerungen an die Vergangenheit wach. An den Vater, der jahrzehntelang in der Fabrik Aluminiumbleche beizte, den fast blinden Großvater, der ebenso wie ihr Vater in seinem Trott gefangen war, an die Mutter, die in dieser Enge zurechtkommen musste und auch an ihre schwierige Schulzeit. All diese Gedanken steigen in ihr hoch, unaufhaltsam, wie Seifenblasen im Wind…

Erster Satz

Die Luft verändert sich, wenn man über die Schwelle des Ortes tritt.

Eigene Meinung

Deniz Ohde hat mit ihrem Roman „Streulicht“ ein grandioses Debüt vorgelegt. Sie beschreibt darin einen Teil unseres Gesellschaftssystems, den es so niemals geben sollte. Ausgrenzung, Armut und ungleiche Bildungschancen sind das Thema dieses leisen und doch so kraftvollen Romans, der mich einfach umgehauen hat.

Mit ihrem feinfühligen, klaren Schreibstil lässt sie den Leser am Leben ihrer namenlosen Ich-Erzählerin teilhaben. Zunächst schildert sie bildgewaltig und bis ins kleinste Detail den Ort und die Umgebung, in der ihre Protagonistin aufwächst.

Vor diesem Hintergrund rollt sie die Vergangenheit Stück für Stück auf, je weiter man im Buch kommt, desto schrecklicher wird es zu sehen, wie dieses intelligente, schüchterne Mädchen durchs Bildungsraster fällt, weil niemand genauer hinsieht und sich um sie kümmert. Das ist harte Kost, denn man weiß ja genau, das kommt in der Realität viel zu oft vor. Durch ihre beste Freundin Sophia sieht man diese Ungerechtigkeit noch deutlicher, ihr stehen alle Möglichkeiten offen, alles ist selbstverständlich.

Deniz Ohde erzählt dabei in so feinen, leisen Schattierungen, eben genau so, wie die Ich-Erzählerin durchs Leben geht. Unauffällig, still, sie macht alles mit sich selbst aus. Ich habe das Buch aus genau dieser Perspektive gelesen und das ist für mich auch das Besondere an der Erzählkunst der Autorin. Man kann sich richtig mit ihrer Protagonistin identifizieren, so nah lässt sie den Leser an der Geschichte teilhaben. Für mich hat Deniz Ohde einen ganz tollen, berührenden und aufwühlenden Roman geschrieben, der mir noch lange Stoff zum Nachdenken liefert. Großartig und völlig zu Recht für den Deutschen Buchpreis 2020 nominiert.

Fazit

Aufwühlender, absolut lesenswerter Blick auf die Schwachstellen unserer Gesellschaft


STREULICHT

Autorin: Deniz Ohde
Seitenzahl: 284
Erschienen: 17.08.2020
Verlag: Suhrkamp
ISBN: 978-3-518-42963-1
Preis: 22,00 €


Herzlichen Dank an den Suhrkamp Verlag für die freundliche Bereitstellung des digitalen Rezensionsexemplars via NetGalley!

Zwerghuhn

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4 Comments

  • Reply Mein Schreibtagebuch 10. Oktober 2020 at 21:22

    Hallo ihr lieben,
    den Roman kannte ich zuvor noch nicht, aber er hört sich echt spannend und interessant an. Allein schon, dass er für den Deutschen Buchpreis nominiert wurde, zeigt doch, dass das Buch mir gefallen könnte. Deine Rezension hat mich auch echt neugierig gemacht. Ich werde es mir mal genauer anschauen :).
    Euch noch ein schönes Wochenende!
    Liebe Grüße
    Emily

    • Reply Lesendes Federvieh 11. Oktober 2020 at 12:08

      Liebe Emily,

      schau es dir gerne genauer an, es lohnt sich wirklich! Insgeheim drücke ich ganz fest die Daumen, dass dieses Buch den Titel gewinnt. 🙂

      Viele liebe Grüße und ein schönes Wochenende,
      Zwerghuhn

  • Reply Livia 22. Oktober 2020 at 0:22

    Hallo liebes Zwerghuhn

    Wie schön, dass dir das Buch so gut gefallen hat. Ich habe es meinem Bruder zum Geburtstag geschenkt und hoffe sehr, dass es ihm gefallen wird.

    Alles Liebe
    Livia

    • Reply Lesendes Federvieh 22. Oktober 2020 at 13:26

      Liebe Livia,

      das gefällt deinem Bruder bestimmt! Schade nur, dass es den Buchpreis nicht gewonnen hat.

      Viele liebe Grüße,
      Zwerghuhn

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