Rezension

Washington Black | Esi Edugyan

26. Januar 2020
Washington Black

Inhalt

Barbados, 1830: George Washington Black ist ein schwarzer Sklavenjunge, der unter unmenschlichen Bedingungen auf einer Zuckerrohrplantage schuftet. Durch einen glücklichen Zufall wird er zum Leibdiener Christopher Wildes, der seinem Bruder, dem brutalen Plantagenbesitzer, nicht unähnlicher sein könnte. Er ist in erster Linie Naturwissenschaftler, sieht sich selbst als Erfinder sowie Entdecker und ist ein Gegner der Sklaverei. Der kluge Washington geht Christopher bei seinen Studien zur Hand und entdeckt dabei seine Leidenschaft für die Malerei. Als das ungleiche Paar gemeinsam mit einem selbstgebauten Luftschiff von der Plantage flieht, beginnt eine abenteuerliche Reise, die die beiden um die halbe Welt führen wird.

Erster Satz

Ich war vielleicht zehn, elf Jahre alt – genau kann ich das nicht sagen -, als mein erster Master starb.

Eigene Meinung

„Washington Black“ habe ich tatsächlich schon vor einiger Zeit ausgelesen, doch dieser große Roman von Selbstfindung, Sklaverei, Freundschaft, Verrat und so vielem mehr ist etwas ganz Besonderes. So besonders, dass ich meine Gedanken erst einmal sortieren musste, um sie halbwegs verständlich darzustellen.

Minenfeld Nationalsozialismus und Sklaverei

Es gibt ein paar geschichtsträchtige Themen, die in meinen Augen Minenfeldern gleichen. Neben dem Nationalsozialismus gehört auch die Sklaverei dazu. Manchmal fällt es schwer die Balance zwischen klaren Fakten, gängigen Vorurteilen und schriftstellerischer Freiheit zu halten, ohne dabei vorschnell zu verallgemeinern oder dem Leser die eigene Meinung aufdrücken zu wollen. Esi Edugyan jedoch konnte meine anfängliche Skepsis in Windeseile zerstreuen. Denn es ist ihr gelungen das ernste Thema der Sklaverei in eindringlichen Szenen sprachlich wie inhaltlich klischeebefreit und lebensecht zu schildern. Selbst wenn man wollte, kann man den Blick nicht von den Gräueltaten wie dem Aufspießen eines abgetrennten Kopfes abwenden. Es ist eine kritische Abrechnung mit einem düsteren Kapitel in der amerikanischen Geschichte – ohne erhobenen Zeigefinger aber mit viel Emotion.

Ein ebenso realistisches Porträt der Sklaverei wie Colson Whiteheads „The Underground Railroad“, aber auch eine weltumspannende, süchtig machende Abenteuergeschichte. Ein historisches Epos, das unserer heutigen Welt viel zu sagen hat.

Justine Jordan, The Guardian

Diese Aussage trifft es ziemlich präzise auf den Punkt. Jene Abenteuerreise von Wash und Titch samt ihrer Forschungen und dem Ausbruch aus gängigen Konventionen erinnert an Jules Verne und ist in den Eigenheiten der Charaktere doch so einzigartig.

Faszinierendes Abhängigkeitsverhältnis

Dreh- und Angelpunkt der Erzählung ist die faszinierende Beziehung von Christopher und Washington, die man wohl am ehesten als steten Wandel zwischen gegenseitiger Abhängigkeit, Zuneigung und Freundschaft beschreiben kann. Womöglich könnte man seitenweise Analysen ihres speziellen Verhältnisses anhand zahlreicher verschiedener Aspekte durchführen und doch würde man sich zwangsläufig in einem Punkt treffen: der Frage nach der Bedeutung von Freiheit. Dieses Motiv findet sich im Kleinen wie im Großen, in der Sklaverei wie in der Haltung von Meerestieren in Aquarien.

Unvollkommenheit ist die neue Perfektion

Wenngleich die Geschichte nicht perfekt, nicht rund ist, macht sie gerade jene Unvollkommenheit zu der ausdrucksstarken Erzählung, die in Erinnerung bleibt. Die Protagonisten machen Fehler, handeln scheinbar irrational und lassen zum Ende hin einige Fragen offen, doch genau diese fehlende Perfektion verleiht der Geschichte den Charakter eines Rohdiamanten und sorgt dafür, dass man sich gedanklich noch über die letzten Worte hinaus damit beschäftigt.

Fazit

Unter dem hübschen Einband von „Washington Black“ verbirgt sich ein wahrer Rohdiamant einer eindringlichen Erzählung, die vor dem Hintergrund der Sklaverei und einem höchstspannenden Abhängigkeitsverhältnis der Protagonisten Selbstfindung, Verrat, Freundschaft und die Bedeutung von Freiheit thematisiert.


WASHINGTON BLACK

Autorin: Esi Edugyan
Originaltitel: Washington Black
Übersetzung: Anabelle Assaf
Seitenzahl: 512
Erschienen: 30.08.2019
Verlag: Eichborn
ISBN: 978-3-8479-0665-0
Preis: 24,00 €


Herzlichen Dank an den Bastei Lübbe Verlag für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

Kathiduck

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2 Comments

  • Reply Tanja von Der Duft von Büchern und Kaffee 19. Februar 2020 at 18:51

    Hallo liebe Kathi,
    dieses Buch ist mir tatsächlich auch schon desöfteren ins Auge gefallen. Ich habe bislang allerdings noch keine Rezension dazu gelesen. Umso mehr freue ich mich, dass dir das Buch so gut gefallen hat. Ich gebe dir Recht, was die von dir genannten Themen und den Vergleich mit dem Minenfeld angeht. Es ist für einen Autor mit Sicherheit nicht einfach da immer den richtigen Nerv zu treffen. Umso mehr freut es mich, dass es der Autorin hier gelungen ist.
    Eine sehr schöne Rezension. <3

    Ganz liebe Grüße
    Tanja

    • Reply Lesendes Federvieh 26. Februar 2020 at 12:56

      Hallo liebe Tanja,

      Dankeschön! „Washington Black“ ist wirklich ein ganz besonderes Buch und zählt nicht umsonst zu den Lieblingsbüchern des Jahres von Barack Obama. 😀 In gewisser Weise hat es mich sogar an Daniel Kehlmanns „Die Vermessung der Welt erinnert“.

      Ganz liebe Grüße,
      Kathi

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