Rezension

Ypsilons Rache | Lou Bihl

11. April 2021
Ypsilons Rache

Inhalt

Kris ist Mitte Fünfzig, geschiedener Vater zweier erwachsener Töchter und erfolgreicher Pathologie-Professor. Von außen betrachtet führt er ein zufriedenes Leben, doch Kris hat seit Jahren das Gefühl im falschen Körper zu stecken. Seine „Transtendenzen“, wie er seine Transsexualität bezeichnet, übt er nur im Verborgenen aus bis er sich ein Sabbatjahr nimmt, um sich auf Identitätssuche zu begeben und die Frage zu beantworten, ob er sein Inneres mit dem Äußeren in Einklang bringen möchte. Bei einer Routineuntersuchung vor Antritt seines Roadtrips wird bei ihm allerdings Prostatakrebs diagnostiziert, was ihn in eine Sinnkrise zwischen Therapiewahl und Coming-Out stürzt. Er beginnt eine Reise zu sich selbst, die von wegweisenden Begegnungen, aufkeimender Hoffnung und weiteren Schicksalsschlägen gezeichnet ist.

Erster Satz

Diesmal sah sie mir nicht in die Augen.

Eigene Meinung

„Ypsilons Rache“ ist das Romandebüt des Ende 2020 frisch gegründeten Unken Verlages und imponiert sogleich mit einem der besten Cover der Saison, in welchem sich zahlreiche Motive der Geschichte in kreativer Umsetzung wiederfinden.

Transsexualität ist eines der Kernthemen dieser berührenden wie eigenwillig humorvollen bis hin zu tragischen Erzählung, die mit ihrer feinen Nuancierung zwischen Sarkasmus und Zynismus imponiert. Erschwerend kommt die Diagnose Prostatakrebs hinzu, welche eine geschlechtsangleichende Operation aus onkologischer Sicht unmöglich macht und Kris in eine Sinnkrise stürzt und vor die Frage stellt, was ihm wichtiger ist: Quantität oder Qualität der Jahre, die ihm noch bleiben. Möchte er in seinem bisherigen Leben verharren und seine Transtendenzen weiterhin nur im Geheimen ausleben oder möchte er die Freiheit genießen zu werden, wer er schon immer war, auch wenn ihn das bald das Leben kosten würde?

Jener innerer Zwiespalt, den er durch seine teils fragwürdigen Äußerungen und Handlungen nach außen trägt, führt ihn auf eine Reise, die gesäumt von starken Frauenfiguren ist. Eine davon ist Chloé, die für ihn gleichermaßen Vorbild wie Objekt seiner Begierde wird, die jedoch zunehmend in eine Obsession ausartet, welche ihn seine ursprünglichen Ziele der Reise in den Hintergrund rücken lässt. Vergessen ist die Entscheidung über die Art der anstehenden Krebstherapie oder die Auslebung seiner Transidentität, stattdessen wird er geradezu anhänglich bis prekär maskulin aufdringlich, was bei mir für sich rasch ausbreitendes Unbehagen sorgte.

Ein Wesen, das mein Reisemotto „Werde, der du bist“ für sich selbst wörtlich genommen hatte und die Frau geworden war, die ich in meinen Träumen gerne wäre, nur dass mir der Mut zur Entscheidung fehlte und die Leidensbereitschaft, sie umzusetzen.

Bihl, Lou: Ypsilons Rache (S. 203f).

Obgleich die beiden untrennbar miteinander verschlungenen Themen recht speziell und insbesondere in ihrer Kombination alles andere als gewöhnlich sind, geht es doch im Kern – verborgen unter dem Berg an zu bewältigenden Herausforderungen – um die grundlegende Frage „Wer bin ich und wer möchte ich sein?“, mit welcher wir uns alle identifizieren können.

Fazit

Unterfüttert mit zahlreichen fundierten Fakten wie Erfahrungsberichten über Transidentität und Outing, Geschlechtsangleichung sowie den bürokratischen Spießrutenlauf ist „Ypsilons Rache“ trotz des teils sehr speziellen Protagonisten ein sarkastisch angehauchtes Plädoyer für zumindest Toleranz, vielmehr aber Akzeptanz.


YPSILONS RACHE

Autorin: Lou Bihl
Seitenzahl: 289
Erschienen: 28.02.2021
Verlag: Unken
ISBN: 978-3-949-28600-1
Preis: 22,00 €


Herzlichen Dank an den Unken Verlag für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

Kathiduck

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