Rezension

Offene See | Benjamin Myers

28. Mai 2020
Offene See

Inhalt

Kurz nach Ende des zweiten Weltkrieges: Der 16-jährige Robert ist sich nicht sicher, ob er der alten Familientradition folgen und Bergarbeiter werden soll. Er möchte mehr sehen als nur die Enge und Finsternis einer Kohlemine. So beschließt er die Natur zu erkunden und ans Meer zu wandern. Kurz bevor er sein Ziel erreicht, lernt er eine ältere Dame kennen, die ihn zum Tee in ihr verwildertes Cottage einlädt. Er ist von der unkonventionellen Dulcie fasziniert, von ihren modernen Ansichten und ihrem Weitblick, etwas, das es in der Enge seines Bergarbeiterdorfes schlichtweg nicht gibt. Statt weiter zu ziehen, bleibt Robert eine Weile bei Dulcie und hilft ihr bei allen Arbeiten, die anfallen. Dabei taucht er in eine ihm unbekannte Welt ein. Als er jedoch eine wild wuchernde Hecke zurückschneiden will, die den Blick aufs Meer versperrt, lehnt Dulcie das schroff ab. Das Gleiche gilt für ein Manuskript mit Gedichten, die er in einem heruntergekommenen Schuppen findet…

Erster Satz

Wo ist das Leben geblieben?

Eigene Meinung

Die letzte Seite ist gelesen und ich würde „Offene See“ am liebsten sofort nochmal von vorne beginnen. Diese kraftvolle, atmosphärische Erzählweise entwickelt eine solche Sogwirkung, dass man wirklich glaubt mit Dulcie und Robert in diesem herrlichen Cottage mitsamt verwildertem Garten in Yorkshire zu sein. Man riecht, schmeckt, sieht die Landschaft, jede einzelne Knospe, jeden einzelnen Grashalm, spürt die Sonne, den Wind, hört das Meeresrauschen. In dieser wundervollen Kulisse weckt Dulcie in Robert die Neugierde auf das Leben und die Literatur.

Sie ist einfach wunderbar direkt, witzig, unkonventionell und absolut liebenswert mit ihren lebensklugen Ansichten und Ideen, die sie Robert in den Kopf pflanzt. Die Geschichte verzaubert den Leser von Beginn an, jeder Satz ist so schön und treffend formuliert, dass es eine wahre Freude ist, Seite um Seite mehr davon zu entdecken. Ein kleines Beispiel aus dem Buch:

Oberhalb der Bucht wachten herrschaftliche Häuser, während die Sonne kupferne Scherben wie Schrapnellsplitter über das Meer warf.

Myers, Benjamin: Offene See

Das ist wirklich ein ganz, ganz besonderes Lesevergnügen, denn er zeigt für mich wie schön Sprache doch sein kann. Eines meiner Lieblingsbücher – und nicht nur des Jahres 2020. Großartig!

Fazit

Ein literarisches Sahnestückchen zum Genießen.


OFFENE SEE

Autor: Benjamin Myers
Originaltitel: The Offing
Übersetzung: Klaus Timmermann & Ulrike Wasel
Seitenzahl: 270
Erschienen: 20.03.2020
Verlag: Dumont
ISBN: 978-3-8321-8119-2
Preis: 20,00 €


Herzlichen Dank an den Dumont Verlag für die freundliche Bereitstellung des digitalen Rezensionsexemplars!

Zwerghuhn

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