Lesung

Chris Carter – Ein wahrer Rockstar

28. Oktober 2018

Im Hörsaal der Anatomischen Anstalt in München herrscht am Abend des 25. Oktobers gespannte Stille, vereinzeltes Raunen geht durch die vollbesetzten Reihen und einige Augenbrauen entwickeln ihr Eigenleben, als der Mann des Abends die Crime Scene betritt. Durchschnittstyp oder menschgewordenes Klischee des verschrobenen Schriftstellers? Fehlanzeige! Gefolgt von seinem etwas düster aussehenden Bodyguard und einem weiteren Begleiter schlendert eine vollkommen in schwarz gekleidete Mischung einer jüngeren Variante von Iggy Pop und Ozzy Osbourne, dessen Arme mit bunten Tätowierungen übersäht sind, in den Raum – ein wahrer Rockstar. 

Der „Bodyguard“ entpuppte sich kurz darauf als der bekannte deutsche Schauspieler und Bond-Bösewicht Detlef Bothe, der den Charakteren des neuen Romans „Blutrausch – Er muss töten“ in der deutschen Fassung mit seiner angenehm tiefen und zugleich melodiösen Stimme an diesem Abend Leben einhauchte, während Günter Keil als Moderator und Übersetzer gekonnt durch die Veranstaltung führte.

Inspiration & Schreiben

Der Held des Abends war jedoch Chris Carter selbst. Der sympathische Brasilianer mit italienischen Wurzeln erzählte Anekdoten aus seinem Alltag als Schriftsteller, untermalt von der Schilderung realer Fälle und gab Einblicke in seinen ehemaligen Beruf als Kriminalpsychologe. Dabei hob er besonders hervor, er könne sich den Luxus nicht leisten auf eine Inspiration zu warten, als hauptberuflicher Autor habe er sich an Deadlines zu halten und arbeite deshalb genauso diszipliniert zu festen Zeiten wie Menschen in anderen Berufen. Seine Bücher werden oftmals als ziemlich authentisch brutal beschrieben, was er damit erklärte, dass bei ihm während des Schreibens reale Tatortbilder von seinem Beruf als Kriminalpsychologe aufploppen, die ihm eine detaillierte und authentische Schilderung ermöglichen, wohingegen andere Schriftsteller auf gesehene Szenen in Filmen oder gar ihre Vorstellungskraft zurückgreifen müssten. Generell schreibt er lieber Bücher, die er selbst gerne lesen würde, weshalb der Fokus komplett auf dem Fall liegt – langatmige Familienszenen findet er langweilig – , in kurzen Kapiteln gehalten ist und mit jeder Menge Cliffhangern gespickt ist.

Vielseitiges Multitalent

Je länger man Chris Carters mitreißenden Ausführungen lauscht, desto klarer wird, dass man einem hellen Kopf gegenübersitzt, der vielseitig begabt ist und mit beiden Beinen auf den Boden der Tatsachen steht ohne dabei überheblich zu sein. Mit 16 Jahren schloss er die High School in Brasilien ab und wollte anschließend in Amerika Medizin studieren. Sein Vater, der selbst Arzt ist, nahm in daraufhin mit in sein Krankenhaus und zeigte ihm bei einem zwei stündigen Rundgang alle Abteilungen. Danach antwortete Chris auf seine Frage, ob er immer noch vorhätte Medizin zu studieren, mit einem entschiedenen „Nope!“. Dank des Generalstudiums im ersten Semester auf dem College in Amerika konnte Chris Carter Einblicke in mehrere Fachrichtungen gewinnen und entschloss sich schließlich für Psychologie mit späterer Spezialisierung auf „Criminal Behaviour“. Unmittelbar nach seinem Abschluss arbeitete er für einige Jahre als Kriminalpsychologe bis ihm die Abgründe der Menschheit, die er tagtäglich zu sehen bekam, genug waren und er kurzum von Michigan nach Kalifornien umzog, um dort eine Karriere als Musiker zu starten. Shania Twain, Ricky Martin und Tom Jones sind nur einige der großen Namen, die er auf Welttournee begleitete. Heute lebt er als Vollzeit-Autor in London.  

Ehe man sich versah waren die eineinhalb Stunden vorbei und tosender Applaus brandete auf, der auch nicht so schnell versiegen wollte, schwelgte doch jeder noch in Erinnerung an die großartige Lesung mit Detlef Bothe und Chris Charters einnehmenden Erzählungen – eine weitere unvergessliche Veranstaltung des Krimifestival Münchens.   


„Blutrausch – Er muss töten“, der neunte Fall von Hunter und Garcia, ist seit dem 24. August 2018 im Verlag Ullstein erhältlich. 

Kathiduck

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