Interview

Geschnatter mit Regina Bittl über WimpernschlagMomente, Angststörungen und starke Charaktere

7. November 2020
Regina Bittl
© Privat

Das Patenprogramm der diesjährigen Online Buchmesse hat uns zusammengeführt, ihr berührender Debütroman handelt von einem wichtigen Thema und nun stellt sie sich unserem Fragenhagel, Bühne frei für Regina Bittl und ihre „WimpernschlagMomente“! 😄

Als ich das erste Mal ernsthaft damit begann, meine Bilder im Kopf zu Worten auf Papier zu formen, fühlte ich mich angekommen.

Regina Bittl

Die gebürtige Bayerin, die den Beruf der Steuerfachangestellten erlernt und als Bilanzbuchhalterin gearbeitet hat bevor sie sich gänzlich dem Schreiben widmete, lebt mittlerweile mit ihrer Familie in Sachsen. Dort scheint es mit ihr als kreativer Kuchenbäckerin, fantasievoller Quatschmacherin, leidenschaftlicher Tagträumerin und überzeugter Lachfaltenträgerin im Hause Bittl nicht langweilig zu werden. Da Geschichten über psychische Erkrankungen und insbesondere Angststörungen trotz der hohen Fallzahl an betroffenen Menschen in der Belletristik bisher rar sind, hat Regina Bittl sich mit ihrem Debütroman „WimpernschlagMomente“ an dieses sensible Thema außerordentlich dezidiert wie berührend herangewagt. Doch neben der ernsthaften Thematik kommen weder die Liebe noch der Humor zu kurz, welcher gemäß ihres Grundsatzes von Hippokrates „Heiterkeit entlastet das Herz“ besonders in den herrlich amüsanten Dialogen zu spüren ist.

Ich möchte mit meinem Buch dem Leser, der Leserin nicht nur eine unterhaltsame Lesezeit bescheren, sondern auch Mut machen, aufklären, Hoffnung schenken und anregen, eigene Denkmuster zu hinterfragen.

Regina Bittl

Wie bist du auf die mutige Idee gekommen deine Geschichte rund um eine bis dato in der Belletristik unterrepräsentierte psychische Erkrankung, die Angststörung mit Zwangshandlungen, auszurichten?

Ich lese sehr viel. Irgendwann hatte ich jedoch das Gefühl, dass in Liebesromanen die weiblichen Hauptfiguren alle nach dem gleichen, beliebig austauschbaren Muster beschrieben wurden. Jede dieser Geschichten hat ihren eigenen, berechtigten Unterhaltungswert, aber in keiner davon konnte ich die Frauen entdecken, denen ich in meinem Alltag begegne. Meine Nachbarin, meine Arbeitskollegin oder meine beste Freundin. Psychische Krankheiten gehören zu den häufigsten Erkrankungen, sind somit mitten unter uns und tauchen in unseren Geschichten trotzdem nicht auf. Warum gibt es in der Belletristik keine weiblichen Hauptfiguren mit Depressionen, Essstörungen oder eben Angsterkrankungen die trotzdem ihren Alltag stemmen? Das wollte ich ändern. Ich wollte den Frauen aus meinem realen Leben die Möglichkeit geben, Heldin in ihrer eigenen Geschichte zu werden. Außerdem liebe ich Bücher, die einen Mehrwert über die eigentliche Handlung hinaus bieten. Das habe ich versucht mit meinem Debütroman umzusetzen.

Wie kann man sich deine Recherche zu diesem sensiblen Thema vorstellen? Hast du mit Betroffenen gesprochen, im Internet recherchiert oder mit Ärzten gesprochen?

Die Recherche zu meinem Roman unterscheidet sich nicht zu dem von anderen Büchern. Literatur, Internet, Gespräche und Beobachtung. Sicherlich kann ich in diesem Fall auch noch eine große Portion Lebenserfahrung on Top legen. Ich musste schon so einiges wegstecken und weiß durchaus, wie es sich anfühlt am Punkt Null zu sein. Nichtsdestotrotz denke ich, dass es einen Autor auszeichnet ein Thema so zu verpacken, dass der Leser denkt, so kann man nur schreiben, wenn man es selbst erlebt hat. Dann hat er in meinen Augen alles richtig gemacht.

Wie viel von Rica steckt neben dem Wohnortwechsel von Bayern nach Sachsen, der Hängematte und der Liebe zu den Zahlen in dir?

Alles und Nichts, trifft es exakt.

Auch deine Nebencharaktere, allen voran die herzensgute Adele, der Seebär Hein oder auch der sympathische Kellner in Paris sind unglaublich authentisch und liebenswert, gibt es dafür reale Vorbilder oder entspringen sie allesamt deiner Fantasie?

Alle Nebencharaktere sind tatsächlich von mir frei erfunden. Ich habe mich ausschließlich davon leiten lassen, welchen Personen ich selbst gerne begegnet wäre. Die Authentizität erreiche ich dadurch, dass ich für jede Person eine Biografie anlege. Angefangen mit ihrem Werdegang, über Kleidungsstil bis hin zu Gesten, Mimik und Ausdrucksweise. Das geht sogar soweit, dass ich gedanklich Gespräche mit ihnen führe, um sie besser kennenzulernen. Das verschlingt zwar viel Zeit, aber ich finde das Endergebnis ist es wert.

Wie schwierig ist es ein Buch im Selfpublishing zu veröffentlichen? Welche Aufgaben und Herausforderungen, aber auch Vorteile sind damit verbunden?

Die Veröffentlichung im Selfpublishing ist überhaupt nicht schwierig. Quasi ein Knopfdruck und das Buch steht für Leser bereit. Das Schwerste überhaupt kommt danach, der Welt mitzuteilen, dass man ein Buch veröffentlicht hat und warum es lesenswert ist. Marketing ist zeitlich und finanziell eine riesige Herausforderung.

Die Hauptaufgabe im Selfpublishing liegt für mich darin, ein so qualitativ hochwertiges Produkt zu schaffen, dass es von dem eines Verlagsbuches nicht zu unterscheiden ist. Dafür ist ein professionelles Lektorat, Korrektorat und Cover unerlässlich. Leider muss man diese kostenintensiven Ausgaben als Selfpublisher aus eigener Tasche bestreiten, weshalb einige Autoren/innen darauf verzichten. Gegenüber der Selfpublishing-Szene schafft dieser Umstand weitere Vorurteile, gegen die ich zusätzliche Überzeugungsarbeit leisten muss. Das macht es besonders schwer, die Hürde in den Buchhandel zu meistern.

Am Selfpublishing liebe ich den Vorteil komplett selbstbestimmt zu sein. Ich entscheide wann mein Buch veröffentlicht wird, welchen Coverdesigner ich will, wie der Klappentext lauten soll und ich kann ein Lektorat ohne die vorgegebenen Filter eines Verlages nutzen.

Welche Art von Szenen schreibst du am liebsten und welche sind schwieriger?

Ich habe festgestellt, dass ich die Szenen in denen das potentielle Liebespaar zum ersten Mal aufeinandertrifft am liebsten schreibe. Vielleicht, weil darin so viele Möglichkeiten liegen und ich gerne daran tüftele. Genauso gerne schreibe ich allerdings auch Dialoge. Die sind das Gegenteil zu konzipierten Szenen, da sie bei mir komplett spontan entstehen.

Schwierige Szenen sind für mich solche Stellen, an denen es gefühlsmäßig ans Eingemachte geht. Um emotional schreiben zu können, muss ich mich in die Charaktere hineinversetzen und damit durchlebe ich die Szene sozusagen selbst. Manchmal überfordert mich das auch und ich benötige eine Pause. Dann schreibe ich an Stellen im Text weiter, die mir leichter fallen. So entsteht eine Geschichte in Puzzleteilen, die ich am Ende zu einem kompletten Bild zusammensetze.

In einem Satz: Wie sieht dein normaler Arbeitstag als Autorin aus?

Ich schaffe die Antwort sogar mit nur einem Wort: chaotisch.

Wie kann man sich deinen Schreibplatz vorstellen? Aufgeräumter Schreibtisch, Cafétrubel oder bei gutem Wetter draußen an der frischen Luft?

Definitiv brauche ich zum Sätzeformulieren einen aufgeräumten Schreibtisch und Ruhe. Ich lasse mich nämlich leicht ablenken. Allerdings spinne ich den Verlauf der Geschichte gerne bei irgendwelchen Tätigkeiten weiter. Dazu eignen sich hervorragend Wäschebügeln, Hausputz oder eine Beschäftigung im Garten.

Diese drei Bücher muss man deiner Meinung nach gelesen haben:

  • Gut gegen Nordwind (Daniel Glattauer)
  • Mister Romance (Leisa Rayven)
  • True-North Reihe (Sarina Bowen)

Was machst du, wenn du gerade nicht an einem neuen Buch schreibst?

Ich lese oder betätige mich kreativ. Malen, Basteln, Musik machen oder Heimwerkern, nichts ist vor mir sicher. Dabei probiere ich auch regelmäßig neue Sachen aus, so wie erst vor kurzem Handlettering. Allerdings bin ich am glücklichsten, wenn ich beim Backen in der Küche kreatives Chaos verursachen kann.

Was würdest du heute deinem jüngeren Selbst empfehlen?

Eine schwierige Frage mit so vielen Antwortmöglichkeiten… Ich denke, dass ich mir empfehlen würde selbstbewusster zu sein. Das ist eine Fähigkeit, die ich mir im Lauf der Jahre erst hart erarbeiten musste und sicherlich noch nicht perfektioniert habe.

Dein Roman „WimpernschlagMomente“ ist voller weiser Worte, doch welches ist abseits davon dein absolutes Lieblingszitat?

Heiterkeit entlastet das Herz.

Hippokrates

Jeder von uns hat bestimmt schon einmal die Erfahrung gemacht, wie befreiend ein herzhaftes Lachen sein kann. Ich versuche mich täglich daran mit einem gewissen Maß an Grundfröhlichkeit durch mein Leben zu gehen. Mal klappt das gut, mal eher weniger. Aber jeder Tag bietet eine neue Chance.

Außerdem liebe ich es, mir irgendwelchen lustigen Quatsch auszudenken und ihn umzusetzen. Frei nach dem Motto: Wenn das Leben gerade nur trist sein will, dann sorge ich eben selbst für einen Regenbogen.

Zum Schluss die Frage aller Fragen: Arbeitest du schon an einem neuen Buch und wenn ja, wann erscheint es? Spielen die liebgewonnenen Charaktere, wie z.B. der charismatische Assistenzarzt Arne, dort erneut eine Rolle?

Ich stecke mitten in der Rohfassung zu einem neuen Roman der sich wieder mit einem eher unkonventionellen Thema beschäftigen wird. Eine Veröffentlichung Ende 2021 könnte klappen.

Tatsächlich habe ich mit dem Gedanken gespielt eine Fortsetzung zu „WimpernschlagMomente“ zu schreiben, in der Arne eine Hauptrolle bekommt. Mir wurde allerdings bewusst, dass ich dann ein komplettes Buch aus der Sicht eines Mannes schreiben müsste und ich weiß nicht, ob ich da mit meinen Recherchen jemals ein Ende finden würde. 😀

Das war:

Regina Bittl

Ihr habt noch immer nicht genug von Regina Bittl oder seid neugierig auf ihren Debütroman geworden? Dann schaut doch gleich mal hier auf ihrer Internetseite oder auf Instagram vorbei! Mit Klick auf den Titel gelangt ihr außerdem zu unserer Rezension von „WimpernschlagMomente“.


Abschließend möchten wir uns natürlich nochmal ganz herzlich bei Regina Bittl für die ausführliche und superspannende Beantwortung unserer Fragen bedanken!

Schaut doch auch gerne mal hier vorbei, dort findet ihr viele weitere spannende Interviews!

You Might Also Like

No Comments

Leave a Reply