Rezension

Oberkampf | Hilmar Klute

13. Dezember 2020
Oberkampf

Inhalt

Jonas Becker lässt sein altes Leben inklusive gescheiterter Beziehung hinter sich und beginnt einen Neuanfang als freier Schriftsteller in Paris. Möglich macht dies sein Verlag, der ihm eine kleine Wohnung in der Rue Oberkampf bezahlt, während Jonas ein Buch über den hochbetagten Schriftsteller Richard Stein schreibt, der in Paris lebt. Er arbeitet am Manuskript und genießt mit seiner neuen Freundin Christine das Leben. Doch Jonas Aufenthalt wird von den Auswirkungen des Anschlags auf die Redaktion von Charlie Hebdo überschattet. Doch nicht nur dadurch, sondern auch negative Nachrichten aus der Heimat belasten seine neugewonnene Freiheit…

Erster Satz

In der Rue de Bretagne waren viele Bistros schon voll mit Gästen, nur der Marché des Enfants Rouges kam eher langsam in Gang; die Fische lagen mit offenen Mäulern auf dem Eisbett, und ein Imbissverkäufer briet einen gigantischen Berg von frisch geschnittenen Zwiebeln in einer großen Pfanne.

Eigene Meinung

Hilmar Klute hat einen wunderbaren Roman geschrieben, der eine Lebendigkeit versprüht, die mich von Anfang an begeisterte. Durch die bildgewaltige Sprache und die atmosphärische Dichte der Ortsbeschreibungen findet man sich bei einem Spaziergang durch Paris wieder. Man merkt, dass der Autor Paris „selbst gelebt hat“, so authentisch beschreibt er die französische Lebensweise.

Vor dieser grandiosen Kulisse lässt er ein Stück Zeitgeschichte wieder aufleben, das Attentat auf die Redaktion von Charlie Hebdo und die damit verbundene Fassungslosigkeit in ganz Frankreich. Dabei schafft er es mühelos durch seinen sprachgewaltigen Schreibstil diese Stimmungen einzufangen. Gleichzeitig fokussiert er seine Betrachtungsweise nicht einseitig auf das Verbrechen, sondern versucht einen Einblick in die Lebensumstände der Menschen aus den Banlieues zu geben, aus denen die Attentäter entstammen.

Zugleich nimmt er den Leser mit zu Jonas, seinen Schatten der Vergangenheit, seiner Freude an guten Büchern, seinen Eindrücken zum Attentat und seiner aufreibenden Arbeit mit dem nicht immer leichten Richard Stein. All das erzählt der Autor in leichten, gewaltig dahinfließenden Sätzen, die gespickt sind von grandiosen Dialogen. Abgerundet wird die Geschichte durch ein fulminantes Ende. Alles Geschriebene verdichtet sich zu dem einzig schlüssigen und unabwendbaren Schlussakzent, alles andere würde sich einfach falsch anfühlen. Der letzte Satz wird mir noch lange im Gedächtnis bleiben.

Fazit

„Oberkampf“ kommt auf jeden Fall auf die Liste meiner Lieblingsbücher 2020, denn darin wird lebendige Zeitgeschichte erstklassig erzählt.


OBERKAMPF

Autor: Hilmar Klute
Seitenzahl: 320
Erschienen: 20.08.2020
Verlag: Galiani Berlin
ISBN: 978-3-86971-215-4
Preis: 22,00 €


Herzlichen Dank an den Galiani Berlin Verlag für die freundliche Bereitstellung des digitalen Rezensionsexemplars!

Zwerghuhn

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