Rezension

Brüste und Eier | Mieko Kawakami

18. November 2020
Brüste und Eier

Inhalt

Ein heißer Sommertag in Tokio: Die dreißigjährige Natsuko erhält Besuch von ihrer älteren Schwester Makiko und deren Tochter Midoriko. Makiko möchte sich die Brüste vergrößern lassen. Doch auch die junge Midoriko hat ihre ganz eigenen Probleme in einer Gesellschaft, in der alles Intime ein Tabuthema ist. Schließlich steht auch Natsuko vor der Frage Kind ja oder nein…

Erster Satz

Wenn man wissen will, wie arm jemand war, fragt man ihn am besten, wie viele Fenster die Wohnung hatte, in der er aufgewachsen ist.

Eigene Meinung

Nachdem ich schon so viel über das Buch „Brüste und Eier“ gehört, gesehen und gelesen habe, bin ich neugierig geworden, was diesen Hype ausgelöst hat. Das Thema geht uns Frauen alle an, denn nicht nur in Japan, sondern auch bei uns gibt es Diskriminierung, Schönheits- und Jugendwahn und unerfüllter Kinderwunsch.

Im ersten Teil fließt die Geschichte locker, lässig und überbordend dahin. Die Seiten verfliegen in Windeseile. Witzig und unterhaltsam nimmt Mieko Kawakami den Leser mit nach Japan zu Natsuko und den Frauen ihrer Familie. Männer sind in der Betrachtung uninteressant, man kann sich vollkommen auf Makiko, Natsukos Schwester, einlassen, die mit ihrer schwindenden körperlichen Schönheit zu kämpfen hat und ihre Nichte begleiten, die in der Pubertät steckt. Nebenbei lernt man durch die bildgewaltige Erzählweise einiges über japanische Lebensweise und Kultur kennen, was ich grandios finde.

Danach geht es über zum zweiten Teil, der einige Jahre später angesiedelt ist. Nachdem ich einige Seiten gelesen hatte, kam es mir vor, als wäre es ein zweites Buch, ein Folgeroman. Natsuko steht nunmehr selbst im Mittelpunkt, denn ihr Kinderwunsch wird immer dringlicher und eine feste Beziehung möchte sie generell nicht.

Plötzlich ist die rasante Betrachtung, die Lässigkeit einer Ernsthaftigkeit gewichen, welche die japanische Gesellschaft hinsichtlich der Perspektiven von Frauen noch schonungsloser und genauer seziert und darstellt. Die nach außen hin scheinende asiatische Perfektion bekommt eindeutig Risse. Die Autorin schreibt auch hier auf den Punkt genau und durchaus unterhaltsam ohne jemals den Tiefgang und ihre feministische Sichtweise zu verlieren. Schade nur, dass dieser Part im Gegensatz zum ersten Teil stellenweise langatmig und zäh zu lesen war, obwohl es wirklich witzige Szenen gibt, wie beispielsweise das Zusammentreffen mit einem potentiellen Samenspender. Das ist so klasse porträtiert, man möchte keinesfalls an Natsukos Stelle sein.

Fazit

Ich habe den Roman trotzdem gerne gelesen, weil Mieko Kawakami den Mumm hat Frauenthemen ohne Wenn und Aber anzusprechen und diese schonungslos zu Papier zu bringen.


BRÜSTE UND EIER

Autorin: Mieko Kawakami
Originaltitel: Natsumonogatari
Übersetzung: Katja Busson
Seitenzahl: 496
Erschienen: 18.08.2020
Verlag: Dumont
ISBN: 978-3-8321-8373-8
Preis: 24,00 €


Herzlichen Dank an den Dumont Verlag für die freundliche Bereitstellung des digitalen Rezensionsexemplars via NetGalley!

Zwerghuhn

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2 Comments

  • Reply Livia 9. Dezember 2020 at 9:53

    Hallo liebes Zwerghuhn

    Oh ja, das Buch war lange überall zu sehen und ich habe ebenfalls mitbekommen, dass es polarisiert. Deine Kritikpunkte kann ich sehr gut nachvollziehen. Längen stören mich auch immer sehr. Aber: dass die Themen dich überzeugen konnten, ist ein grosser Pluspunkt und wenn der ganze Hype ein wenig abgeklungen ist, kann ich mir gut vostellen, das Buch einmal ganz in Ruhe zu lesen.

    Alles Liebe
    Livia

    • Reply Lesendes Federvieh 13. Dezember 2020 at 15:58

      Liebe Livia,

      lies es, es ist wirklich ein ganz spezielles Buch .:) Schräg, aber inhaltlich gut und genau auf der Höhe der Zeit. Ich fand den Titel so crazy, dass ich unbedingt wissen wollte, was sich dahinter verbirgt.

      Viele liebe Grüße
      Zwerghuhn

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